Leuchtwerbung

LED-Netz am Gasometer
LED-Netz am Gasometer

Seit  dem Sommer 2008 wird das Baudenkmal Schöneberger Gasometer mit einer Leuchtwerbung bespielt. In Richtung Süden wurde ein Netz aus LEDs gespannt, das 35 x 20 Meter misst.1 Nachts werden darauf in Richtung Sachsendamm und Autobahn Werbefilme abgespielt. Die Anlage, die laut Betreiber rund 800.000 Euro gekostet hat, gehört angeblich zu den größten ihrer Art in Europa.

Was im Dunklen aus der Ferne so harmlos zu leuchten scheint, ist bei näherer Betrachtung jedoch ein Projekt von politischer Brisanz und zudem eine Behelligung der Anwohner. Warum wurde für diese Anlage überhaupt eine Genehmigung erteilt, zudem an einem denkmalgeschützten Bau, und wer profitiert davon?

Das Versprechen

Die unter dem Aspekt der Denkmalpflege äußerst fragwürdige Außenwerbung an dem stillgelegten Gasbehälter kam vor allem zustande, weil der Projektentwickler Reinhard Müller bereits 2007 im frühesten Stadium seiner „Bemühungen“ um einen neuen Bebauungsplan (B 7-29) für das Gelände des ehemaligen Gaswerks Schöneberg ein Versprechen und eine Ankündigung machte:

Zur Freude der Bezirksvertreter kündigte Müller an, noch in diesem Jahr mit einem Aufwand von 3,5 Mio. EURO den Gasometer sanieren zu wollen, der erheblich mit dem Rostfraß zu kämpfen habe.

Zur teilweisen Gegenfinanzierung wolle er mit einer Werbeanlage aus tausenden Leuchtdioden nachts Werbung in Richtung Autobahn ausstrahlen. Das Leuchtdiodennetz sei während der Tagesstunden quasi unsichtbar.

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Bei dieser Ankündigung blieb es jedoch.  Zwar wurde die Anlage für die Leuchtwerbung 2008 installiert, die Sanierung des vom Rost schwer angegriffenen Führungsgerüstes am Gasometer lässt jedoch auch Ende 2010 noch auf sich warten. Gegenüber dem Bezirksamt, dem entsprechende Ausschreibungsunterlagen vorgelegt wurden, äußerte Reinhard Müller 2007, er wolle den Gasometer 2008/2009 sanieren3. Es erfolgten jedoch – soweit bekannt – nur marginale Arbeiten.

Die Genehmigung

Die Anbringung einer großen Leuchtwerbung an einem geschützten Industriedenkmal bedarf  einer Baugenehmigung. Zuständig für den denkmalrechtlichen Teil ist dabei die beim Bezirksamt angesiedelte „Untere Denkmalschutzbehörde„. Diese ist sinnigerweise Bestandteil der Bauverwaltung und damit direkt dem Stadtrat für Bauwesen Bernd Krömer (CDU) unterstellt, der dem „Amt für Planen, Genehmigen und Denkmalschutz“ vorsteht.

Bei ersten Vorgesprächen zwischen Bezirk und Projektentwickler Müller 2007 wurde bezüglich der Leuchtwerbung zunächst mündlich vereinbart:

4. Werbung unter Einsatz von LED-Technik am Gasometer
Es wird einvernehmlich festgestellt, dass der Testlauf mit der LED-Werbung gelungen sei. Es habe sich bislang kein Bürger über diese Werbung beschwert.
Herr H. kündigt an, dass er kurzfristig einen Bauantrag für die „Dauerlösung“ für die Zeit der Sanierung des Gasometers (drei bis vier Jahre) einreichen werde. Vorgesehen sei, die LED-Anlage bei im Wesentlichen gleichbleibender Fläche horizontal zu strecken und vertikal zurückzunehmen. Damit könne die Sichtbarkeit erhöht werden. Herr K. erwartet, dass eine Beeinträchtigung der Wohnungen in der Cheruskerstraße möglichst vermieden wird. Der Bauantrag ist bei der Bauaufsicht einzureichen, die die untere Denkmalschutzbehörde beteiligen wird. Zügige Bearbeitung wird zugesagt (ca. vier Wochen).
In dem Antrag ist darauf hinzuweisen, dass die Werbeeinnahmen zweckgebunden für die Instandhaltung des Denkmals verwendet werden. Dieses sei der unteren Denkmalschutzbehörde nachzuweisen. Vereinbart wird, der Nachweispflicht dadurch nachzukommen, dass Herrn W. – StaplJur – Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen gewährt wird.4

Kurz darauf ging ein Schreiben der Eigentümerin5  des Gasometers beim Bezirksamt ein, in dem es heißt:

… in den nächsten Tagen erhalten Sie von der Firma Ströer Megaposter den Bauantrag für die LED-Fassade am Gasometer. Wir werden als Grundstückseigentümer unser Einverständnis zur Anbringung erteilen. In der Besprechung am 21.06.07 haben wir vereinbart, dass die Einnahmen aus Werbung durch die LED-Fassade ausschließlich der Sanierung des Gasometers zufließen. Ihr Justiziar hat hierbei die Möglichkeit, die Unterlagen bei unserem Steuerberater einzusehen. Mit diesem Schreiben möchten wir dieses Verfahren nochmals bestätigen und hoffen, dass Sie sich damit einverstanden erklären.6

Tatsächlich beantragte die Firma Ströer Megaposter eine Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer aus LED-Dioden gebildeten Leuchtwerbung am Gasometer. Der Antrag bezog sich auf eine

… transparente, temporäre LED-Werbeanlage am ehemaligen Gasspeicher Schöneberg für die Dauer von 36 Monaten ab 11.2007 …

Die Herstellungskosten für die Werbeanlage wurden vom Antragsteller mit 261.800 € brutto beziffert. Bei der Konstruktion handelt es sich um ein Gerüst aus Baustahlmatten, auf denen die LEDs befestigt sind. Die Anlage sollte bei einer Fläche von 25 x 30 Metern etwa drei Tonnen wiegen.

Der Bezirk wollte offenbar sicher gehen. Der zuständige Jurist der Abteilung schrieb an die Eigentümerin:

Dieser Anlage können Sie entnehmen, dass auch dem Antragsteller im Zusammenhang mit der Ermittlung der Einnahmen etwa Informationspflichten auferlegt werden und die Wirksamkeit der Genehmigung insgesamt von der Instandsetzung des Gasometers abhängig gemacht wird. Dass die Verwendung der Einnahmen sowie die Durchführung der Instandsetzung nicht vom Willen des Antragstellers (Ströer) abhängt, steht der Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen nicht entgegen. Die Genehmigungsfähigkeit besteht nur unter Berücksichtigung dieser Aspekte.7

Weniger juristisch ausgedrückt kündigte das Bezirksamt der Eigentümerin mit diesem Schreiben also ausdrücklich an,  dass die Genehmigung der Leuchtwerbung unter anderem Auflagen bezüglich der Instandsetzung enthalten werde.

In einem kurzen Antwortschreiben erklärte hierzu Reinhard Müller für die Eigentümerin des Gasometers:

Mit dem Inhalt Ihrer Ausführungen erklären wir uns gerne einverstanden und hoffen, dass die Genehmigung der Bauaufsicht in Kürze erfolgt.8

Außenwerbung an einem Industriedenkmal wie dem Schöneberger Gasometer ist durchaus nicht selbstverständlich. Da der Gesamteindruck des Bauwerks durch das Geflimmer der Leuchtwerbung erheblich beeinträchtigt wird, müssen aus Sicht der Genehmigungsbehörde besondere Gründe erkennbar sein, die das rechtfertigen. Ein solcher Grund war in diesem Fall, die Zusage des Eigentümers, den Gasometer zu sanieren.

Gerüst des LED-Netzes
Gerüst des LED-Netzes

Unter dem 09.10.2007 genehmigte das Bezirksamt die Leuchtwerbung am Gasometer für einen Zeitraum von 36 Monaten. Die dazu notwendige Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde stammte von der damals zuständigen Mitarbeiterin Frau A  und enthält genaue Neben- bestimmungen, welche die Verwendung der Erlöse aus Leuchtwerbung und die Verpflichtung zur Instandsetzung des Gasometers regeln. Kernpunkte dieses (nach unserer Auffassung allen Anforderungen an sachgerechtes Verwaltungshandeln genügenden) Bescheides sind unter anderem:

  • Genehmigung der Leuchtwerbung für 36 Monate
  • die Nettoeinnahmen des jeweiligen Grundstückseigentümers durch die Werbung (Miete bzw. Pacht sowie ggf. Gewinnanteil aus der Produktwerbung) sind zur technischen und restauratorischen Voruntersuchung und zur Instandsetzung des Gasometers zu nutzen
  • der Grundstückseigentümer „hat sich gegenüber dem Bezirksamt verpflichtet, seine Einnahmen aus der Werbung ausschließlich für die Instandsetzung zu verwenden“
  • der Antragsteller ist gegenüber dem Bezirksamt verpflichtet, über die Einnahmen Rechenschaft abzulegen
  • Widerruf der Genehmigung für den Fall bleibt vorbehalten, dass die Instandsetzungsarbeiten am Gasometer nicht innerhalb von neun Monaten nach Errichtung der Werbeanlage durch den Eigentümer eingeleitet oder vor Abschluss der Maßnahmen eingestellt bzw. für einen sechs Monate überschreitenden Zeitraum unterbrochen werden

Der Vertrag

Obwohl also nun die Genehmigung für den Betrieb einer Leuchtwerbung für die Dauer von 36 Monaten vorlag, betrieben die Nutznießer eine Nachbesserung. Über die Hintergründe ist nichts bekannt. Fest steht hingegen, dass die langjährige Mitarbeiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde Frau A, die den Bescheid vom Juli 2007 bearbeitet hatte, ihre Zuständigkeit für das Gasometergelände verliert. Sie wird in dieser Zeit durch eine vorher für den Ortsteil Tempelhof zuständige Kollegin, Frau B, ersetzt. Diese neue Zuständigkeit war insbesondere auch für die Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde zum Bebauungsplan 7-29 relevant.

Frau B heiratete bald darauf Bezirksstadtrat Bernd Krömer (CDU). Der berichtete der Presse, er habe seine Mitarbeiterin bei der Präsentation des Tempelhofer Hafens im Mai 2007 kennengelernt.9 Projektentwickler am Tempelhofer Hafen, der Umwandlung eines denkmalgeschützten Areals in ein Einkaufszentrum, war ebenfalls Reinhard Müller.

Mit Datum vom 07.04.2008 schlossen Bezirksstadtrat Bernd Krömer und Reinhard Müller persönlich einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, der die bereits vorliegende Genehmigung inhaltlich abwandelte und ersetzte. Er trägt die Handschrift von Rechtsanwalt Uwe Saager, Ex-Bezirksbürgermeister und Baustadtrat von Schöneberg und heute Rechtsvertretung von Reinhard Müller.

Als Grund für diese „Wiederholung“ der Genehmigung wird in der Vorbemerkung zum Vertrag ausgeführt:

Die Genehmigungszeit von nur 36 Monaten, die auflösende Bedingung und der Widerrufsvorbehalt entsprechen angesichts der hohen Investitionssumme für die Werbeanlage nicht der vom Eigentümer benötigten Sicherheit und Flexibilität der zeitlichen Vorgabe für die Bestandsdauer der Genehmigung zur Werbung.

Aus diesem Grund sollen die Bedingungen der Genehmigung nachträglich abgeändert werden. So geschieht es dann auch in mehreren Punkten, unter anderem heißt es jetzt:

  1. Mit den (Instandsetzungs-) Arbeiten soll spätestens neun Monate nach Aufnahme der Nutzung der LED-Anlage für Werbezwecke begonnen werden.
  2. Die Instandsetzungsarbeiten sind innerhalb von fünf Jahren nach Beginn abzuschließen.
  3. Der Eigentümer verpflichtet sich, in enger Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde die in der Anlage 1 festgelegten Instandsetzungsarbeiten am Gasometer in der Torgauer Straße durchzuführen.
  4. Die Nettoeinnahmen aus der Werbung sind in Höhe der Summe der Gesamteinnahmen für den genehmigten Zeitraum für die Instandsetzung des Gasometers aufzuwenden. Eine zwischenzeitliche Verwendung der Mittel für andere Planungs-, Sanierungs- oder Baumaßnahmen auf dem Grundstück ist möglich.
  5. Die Genehmigung der Werbung ist über den Zeitraum von 60 Monaten zu verlängern bzw. über diesen Zeitraum hinaus neu zu erteilen, wenn die Instandhaltungsarbeiten zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen oder der Zeitpunkt des Beginns der Instandsetzungsarbeiten (§ 1) im Einvernehmen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde hinausgeschoben worden ist und die bis zu diesem Zeitpunkt aus der Werbung erzielten Nettoeinnahmen nicht ausreichen, um die Kosten der Instandsetzungsarbeiten zu decken.

Der Vertrag, dessen Abschrift wir als Anlage zum Download anbieten, enthält eine Anzahl verschachtelter Bedingungen und Klauseln für den Fall, dass die Instandsetzungsarbeiten längere Zeit unterbrochen oder nicht begonnen werden. Nach unserem Eindruck eröffnet er damit im Vergleich zur ersten Genehmigung jedoch vor allem eine Menge juristische Hintertüren für den Eigentümer des Gasometers, der seine Verpflichtungen und die damit verbundenen Fristen nun gelockert sehen durfte:

Gerüst des LED-Netzes
Gerüst des LED-Netzes

So muss (!) die Genehmigung der Leuchtwerbung über den von 36 auf 60 Monate bereits verlängerten Zeitraum hinaus nochmals verlängert werden, wenn die Werbeeinnahmen zur Deckung der Kosten der Instandsetzung von angeblich mehr als 3 Millionen Euro nicht ausreichen (Punkt 5).

Auffällig ist auch die weiche Formulierung „die Instandsetzung soll“ (Punkt 1) innerhalb eines bestimmten Zeitraums beginnen. Soll ist weniger als muss, hat jeder Jurist in der Ausbildung gelernt. Da helfen die im Vertrag geregelten Sanktionen (Widerruf der Genehmigung bei Unterbrechung der Instandsetzung) wahrscheinlich nicht weiter.

Nach unserem Eindruck wurde durch diesen unter nicht näher bekannten Umständen zustande gekommenen Vertrag ohne sachlichen Grund die bereits bestehende – und mit dem Gasometer-Eigentümer zuvor abgestimmte – Genehmigung einseitig zum Vorteil des Eigentümers ersetzt. Damit hat vor allem der Baustadtrat Krömer den Denkmalschutz ausgehöhlt, vermutlich unter Umgehung der zuständigen Denkmalschutzbehörde.

Die Taktik

Im Sommer 2009 gab es Verstimmungen zwischen dem Bezirksamt und der Eigentümerin des Gasometers wegen des ausstehenden Beginns kontinuierlicher Instandsetzungsarbeiten am Gasometer, die öffentlich diskutiert wurden. Das Bezirksamt verlangte nun erst die vertraglich vereinbarten Nachweise der Einnahmen aus der Leuchtwerbung und erhielt unter anderem eine Aufstellung von Rechnungen, denen zufolge die Anschaffung und Montage der Anlage statt der ursprünglich genannten rund 290.000 EUR nunmehr rund 800.000 EUR gekostet hat – eine Steigerung um fast 300 Prozent. Worauf diese erhebliche Abweichung zu den vor Erteilung der Genehmigung genannten Zahlen beruht, ist nicht bekannt.

Damit dürfte auch der Verwaltung im Bezirksamt klar geworden sein, dass der Vertrag eine Falle darstellt: Die LED-Leuchtwerbung am Schöneberger Gasometer wird in dem Zeitraum von 5 Jahren keine Gewinne einspielen. Und der Vertrag des Stadtrats Krömer mit Projektentwickler Müller vom April 2008 hat die Rechtsposition des Bezirks entscheidend verschlechtert. Das Minusgeschäft mit der Leuchtwerbung ist aber nicht nur durch die hohen Anschaffungskosten der Anlage bedingt, sondern vor allem durch einen weiteren Vertrag.

Müller und die Werbefirma Ströer Megaposter10 haben einen Vertrag mit Gewinnaufteilung geschlossen. Statt einer sicheren Pachteinnahme erhält der Eigentümer daher 50 Prozent des Gewinns – oder eben gar nichts. Die Abschreibung der angeblich mehr als 800.000 Euro teuren Anlage und die scheinbar schlechte Buchung der Werbefläche ließen bislang ein Minus entstehen.11 Die monatliche Abschreibung für die Anlage von jeweils 13.874 Euro wurde 2008 und 2009 nicht einmal erwirtschaftet.

Die Einnahmen für die ersten zwei Jahre der Leuchtwerbung stellen sich wie folgt dar: 4 Monate Betriebszeit 2008: 44.602,27 Euro; 12 Monate Betriebszeit 2009: 44.510 Euro. Dabei ist der Bezirk wegen der unvorteilhaften Vertragsgestaltung auf die Angaben des Eigentümers angewiesen. Aber die Einnahmen der Leuchtwerbung gehen bei der Betreiberin Megaposter ein, diese rechnet (wie auch immer) mit der Eigentümerin des Gasometers ab, und auf deren Angaben ist wiederum der Bezirk angewiesen.

Selbst wenn korrekt abgerechnet wird, gibt es schon vor der Gewinnerzielung viele Nutznießer der Werbefläche. 10 Prozent der Werbezeit darf das Land Berlin kostenfrei nutzen. Auch der GASAG wurde kostenlose Werbung eingeräumt.12 Großzügige Rabatte trugen offenbar ebenfalls zur schlechten Ertragslage bei. Aber auch bei soliderem Geschäftsgebaren wäre die Erzielung eines nennenswerten Gewinns kaum möglich. Der Markt hat die LED-Werbefläche offenbar nicht angenommen. Und wenn die mit 3 Millionen angesetzte Sanierung des Gasometers innerhalb von 5 Jahren erwirtschaftet werden sollte, müsste ab sofort ein Jahresgewinn von 1,5 Millionen erzielt werden. Denn Megaposter will schließlich seine 50 % des Profits haben.

Rostender Gasometer
Rostender Gasometer

Schon seit anderthalb Jahren ist klar, dass die Sanierung verschleppt wird. Fast alle vertragliche Fristen sind nicht eingehalten worden. Sanktionen sind offenbar nicht erfolgt und außerdem im Vertrag vernachlässigt worden. Zwar koppelt der Vertrag die Gewinnerzielung aus der Werbung nicht mit der Sanierungspflicht, aber ohne Gewinn ist die denkmalrechtliche Genehmigung für die Leuchtwerbung nicht zu halten.

Und was sagt der Eigentümer Müller dazu? Er verbreitete im Kulturausschuss im September 2010 vor den Bezirksverordneten die Kunde, es würde mit der Sanierung am Gasometer in Abhängigkeit von den Einnahmen aus der Werbung fortgefahren. Das entspricht nicht dem Vertragsinhalt und bedeutet bei der Einnahmensituation ja dann wohl:

Auf eine vertragsgerechte Sanierung des Baudenkmals darf man in nächster Zeit nicht hoffen.

Die Politik

Baustadtrat Krömer seinerseits hat die Bezirksverordneten letztes Jahr ebenfalls gezielt in die Irre geführt. Der Antrag „LED-Werbeanlage am Gasometer: Auf Vertragserfüllung bestehen“ (Drucksache 1170/XVIII) wurde nicht in allen Punkten beantwortet. Erstaunlicherweise wollten es die Antragsteller dann wohl auch nicht genauer wissen, genauso wenig wie sie offenbar zur Kenntnis nehmen wollten, dass der Baustadtrat Krömer stetig daran arbeitet, dass der Vertrag nicht erfüllt wird. Der entscheidende Punkt des Antrags betraf die berechtigte Frage, ob die erzielten Werbeeinnahmen geeignet erscheinen, den Vertragszweck zu erfüllen. Genau diese Frage wurde von Krömer nicht beantwortet. Er hätte schon damals wahrheitsgemäß berichten müssen, dass seine Verwaltung genau dies nicht sieht.

Im September 2009 hieß das interne Fazit der Unteren Denkmalschutzbehörde:

Die Sanierungsbemühungen des Eigentümers sind … bislang eher rudimentär und interessengeleitet. Es bleibt Aufgabe, die Arbeiten zu verstetigen. Die Genehmigung der LED-Wand war im Ergebnis fruchtlos und wird es offensichtlich dauerhaft, zumindest bis zum Ablauf der Genehmigung, auch bleiben. Die Beeinträchtigung des Denkmals fand statt und findet weiter statt, ohne dass dem eine Gegenleistung gegenüber steht.13

Der Sanierungsvertrag, der in der Realität bislang nur die Verschandelung eines Denkmals bewirkt hat, ist ein Politikum. Es geht hier nicht nur um die widersinnige Verwendung eines Denkmals zu zweifelhaften Werbezwecken und des Fehlverhalten eines Baustadtrats, sondern auch um die Lichtemissionen der Werbeanlage, unter der die Anwohner zu leiden hatten.

Gleich nach der Aufnahme der Leuchtwerbung im September 2008 beschwerten sich die Betroffenen über das Geflacker an ihren Fenstern. Das Bezirksamt ging diesen Beschwerden nur mit erheblicher Verzögerung nach. Der Bezirksstadtrat verstieg sich sogar zu dem falschen Statement:

Die Anwohner können gar nicht gestört werden, weil sie die Lichter gar nicht sehen können. Die Dinger leuchten schließlich alle nur Richtung Sachsendamm und da wohnt niemand.

Ganz anders dagegen liest sich das vom Bezirksamt zuletzt beauftragte Gutachten. Es stellt eine unzulässige Beeinträchtigung der Anwohner durch die Leuchtwerbung fest. Der Betreiber musste daher angehalten werden, die Leuchtstärke der Werbung um 60 % herabzusetzen.

Das Ergebnis

Beeinträchtigungen der Nachbarschaft gehen im zweiten Halbjahr 2010 kurioserweise kaum noch von der Leuchtwerbung aus: Sie ist größtenteils abgeschaltet. Man muss also kein Hellseher sein, um die Einnahmesituation aus der Leuchtwerbung für das Jahr 2010 vorauszusagen. Die denkmalrechtliche Genehmigung für die Werbeanlage an einem Baudenkmal ist damit hinfällig. Ihr Zweck wird nicht erfüllt.

Eine Sanierung des Gasometers wurde durch den „Sanierungsvertrag“ nicht erreicht. Statt dessen hat sich der Bezirk eine langfristige Leuchtwerbung eingehandelt, für die es weder wirtschaftlich noch denkmalpflegerisch einen nachvollziehbaren Grund gibt. Der Bezirk hat sich über den Tisch ziehen lassen oder sogar absichtlich den Eigentümer zu Lasten des Denkmalschutzes begünstigt. Mit dieser Altlast dürfen sich dann die Amtsnachfolger von Baustadtrat Krömer herumschlagen.

DrD / azche24; Stand: 07.11.2010


  1. Darstellung der Fa. Ströer, in Verträgen ist von 30 x 22 Meter die Rede. 

  2. Der damalige SPD Abgeordnete Lars Oberg in einem Bericht über die „Vorstellungsveranstaltung“ Müllers auf seiner Homepage. 

  3. Akteneinsicht: Gasometer Ordner III; es wurden Instandsetzungsarbeiten für den Zeitraum April 2008 bis November 2009 in Aussicht gestellt und Ausschreibungsunterlagen eingereicht. 

  4. Gesprächsprotokoll vom 25.06.2007, Quelle: Akteneinsicht 

  5. Es handelt sich um die Denkmalplus Beteiligungsgesellschaft Erste Berlin KG, deren geschäftsführender Gesellschafter Reinhard Müller ist. 

  6. Quelle: Akteneinsicht BA Tempelhof-Schöneberg, Bauakte Gasometer 

  7. Schreiben des BA Tempelhof-Schöneberg Blatt 628 Tsh. II; Quelle: Akteneinsicht 

  8. Schreiben DenkmalPlus vom 07.08.2007, ebenda Blatt 280 

  9. Quelle: Interview Berliner Woche 

  10. Im August 2009 trennt sich Ströer von seiner Tochter Megaposter. Die Megaposter GmbH ist seither die Betreiberin der Leuchtwerbung am Gasometer. Megaposter hatte schon 2002/03 zwei Werbeplakataktionen am Gasometer durchgeführt und war im Jahr 2004 an der Installation einer Leuchtwerbung interessiert. Damals war die Eigentümerin noch die GASAG. 

  11. Laut den durch Reinhard Müller dem Bezirksamt 2009 vorgelegten Abrechnungen über Kosten und Erlöse der Anlage. Quelle: Akteneinsicht 

  12. Eine stille Übereinkunft als Gegenleistung für die mehr als großzügige Überlassung von 3.500 qm Fläche der Nordspitze des Gaswerksgeländes? 

  13. Vermerk des Bezirksamts vom 11.09.2009; Quelle: Akteneinsicht