Da steckt Geld drin
Das alte Grundstück des Gaswerks Schöneberg umfasst neben dem südlichen bebauten Kernbereich mit dem großen Gasometer auch die sogenannte Nordspitze. Diese dreieckige Fläche wurde durch Rückstände aus der Gasproduktion erheblich verseucht. Deshalb war sie lange Zeit gesperrt und mit einer speziellen Folie abgedeckt. Jahrelang plante der Bezirk dort eine öffentliche Grünfläche bzw. Spielfläche. Im Jahr 2007 trat eine entscheidende Planungsänderung ein, die mit der Aufstellung des Bebauungsplans 7-29 in Verbindung steht. In der Folge kam es zu einer Teilung der Nordspitze und zu weiteren Transaktionen, die wir in unserem Bericht Nordspitze vom September 2009 ausführlich dargestellt haben.
Er fasst das Ergebnis unserer Recherchen zur Altlastensanierung und zur Errichtung einer öffentlichen Grünanlage auf der Nordspitze zusammen. Es ist ein Skandal, wie der Bezirk Tempelhof-Schöneberg unter Missachtung eigener Bezirksamtsbeschlüsse Steuermittel verschwendet und einem privaten Projektentwickler erhebliche wirtschaftliche Vorteile verschafft hat.
Die Verantwortlichen
Dies hat vor allem Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) zu verantworten. Aber er wird nicht nur von der CDU-Fraktion in der BVV unterstützt, sondern auch maßgeblich von der SPD, während die Grünen das zweifelhafte Vorgehen kritisch betrachten und einen Antrag zur Darlegung der finanziellen Auswirkungen der Parkplanung auf der GASAG-Nordspitze stellten. Im Stadtplanungsausschuss vom 9.6.2010 konnte oder wollte Baustadtrat Krömer nicht sagen, wie viel die Sanierung des mit Altlasten verseuchten Bodens auf der GASAG-Nordspitze tatsächlich gekostet hat, zu welcher der Bezirk ohne Abrechnung 400.000 € vorab gezahlt hatte. Die Diskussion blieb ohne Resultat. Maßgeblich lag das auch an der SPD, die den Antrag keines Wortbeitrages für würdig erachtete. Das Interesse an Transparenz war letztlich aber auch bei den Grünen nur begrenzt. So ist man sich offenbar einig im Bezirk, möglichst schnell Gras über die unangenehme Sache wachsen zu lassen.
Die Finanzierung
Indessen wurde der Park auf einem 7.000 qm großen Teil der Nordspitze im Juli 2010 offiziell eröffnet. Eine Bürgerbeteiligung hatte man bei der Planung gleich außer Acht gelassen, obwohl die Grünanlage aus den Fördermitteln des Stadtumbaus West bezahlt wurde. Die Auflagen der EU, die einen Teil des Fonds finanziert, besagen klar und deutlich, dass eine angemessene Form der Bürgerbeteiligung erforderlich ist.
Beim Stadtumbau hatte der Bezirk zunächst Mittel in Höhe von 345.000 Euro (2008) für den Parkbau beantragt. Gleichzeitig wollte man den Anteil an der Bodensanierung aus diesem Fonds bezahlen. Dazu hatte das Bezirksamt bereits eine Zusage von Fördermitteln in Höhe von 368.500 Euro (2007). Diese schlug er im weiteren Verlauf der Verhandlungen mit dem Projektentwickler von „EUREF“ in den Wind. Da der Bezirk keine Verfügungsgewalt über das Grundstück hatte, war ein entscheidendes Kriterium zum Erhalt von Fördermitteln nicht eingehalten. Daher zahlte Stadtrat Krömer 2008 kurzfristig 400.000 Euro aus einem allgemeinen Haushaltstitel als Beitrag zur Bodensanierung.
Waren hier die Kosten in die Höhe gegangen, so waren sie es erst recht, als man den Parkbau in Angriff nahm. Die Verwaltung entschied sich nicht für eine kostengünstige Anlage und hielt sich auch nicht an die (frühere) Maßgabe, eine pflegeleichte Anlage zu schaffen. Sie wählte den teuersten Entwurf. Zur selben Zeit als man 345.000 Euro für den Parkbau beim Förderprogramm Stadtumbau West beantragte, suchte man zielsicher eine Variante aus, die diesen Betrag um runde 45% überstieg!
Im weiteren Verlauf der Planung verringerten sich die zunächst geschätzten Kosten dieses Parkentwurfs von 500.000 auf 443.000 Euro, eine deutliche Reduzierung, aber immer noch wesentlich mehr als ursprünglich geplant. Ein Änderungsantrag beim Stadtumbau wurde 2009 daher notwendig.
Der Landesrechnungshof moniert in seinem Jahresbericht 2011 (ab S. 99), dass mit einem geringeren Ausstattungsaufwand 100.000 Euro hätten eingespart werden können. Das konnte jeder Laie schon vorher sehen, nur die Verwaltung unter Federführung von Stadtrat Schworck (SPD) war mit Blindheit geschlagen.
Der alte Cheruskerpark wurde im Zuge der Maßnahme auf der Nordspitze gleich mit umgestaltet. Das Bezirksamt ließ einen Spielplatz abreißen und mehrere große Bäume fällen. Dafür wurden 205.978 Euro aus bezirkseigenen Mitteln ausgegeben. Diese kostspielige Maßnahme wurde von den Anwohnern wegen der umfangreichen Eingriffe in die Vegetation heftig kritisiert.
Wir meinen, der Bezirk hätte hier aus eigenen Haushaltsmitteln glatte 500.000 Euro sparen können. Die Finanzierung eines Beitrags zur Bodensanierung in Höhe von 400.000 Euro war schon wegen der gleichzeitig erfolgten Abtretung von 3.500 qm Parkfläche an „EUREF“ überflüssig. Der Bezirk war in einer guten Verhandlungsposition, die Gasag und den Projektentwickler Reinhard Müller in die Pflicht zu nehmen. Stattdessen ließ er sich die Konditionen der Bodensanierung diktieren! Zusammen mit Einsparungen an der Umgestaltung des Cheruskerparks kann man grob von einem Schaden zu Lasten des Steuerzahlers von 500.000 Euro sprechen. Wie der Landesrechnungshof festgestellt hat, hätten außerdem noch 100.000 Euro an Stadtumbaumitteln an dieser Stelle eingespart werden können.
Vertuschen und Verschleiern
Um von diesen recht eindeutigen Tatsachen abzulenken, wird die Öffentlichkeit ständig falsch informiert. Diese Strategie ist schon seit der Auslegung des Bebauungsplans 7-29 für das Gelände des ehemaligen Gaswerks Schöneberg offenkundig. Regelmäßig nutzt vor allem Baustadtrat Bernd Krömer Pressekonferenzen, um den Medienvertretern irreführende Info-Happen zu servieren, die die wahren Zusammenhänge verschleiern.
Ein Beispiel vom 5. Mai 2011 ist die Pressekonferenz zur Verkündung des Starts der Sanierungsarbeiten am Gasometer. In der Berliner Zeitung vom folgenden Tag konnte man daraufhin lesen:1
„Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg erhielt einen neuen Park an der Nordspitze des Geländes. An den Kosten von mehr als einer Million Euro beteiligte sich die Euref wesentlich.“
Aber: Beweise für eine derartige Beteiligung sind nicht bekannt. Vermutlich gibt es sie auch nicht. Von einer wesentlichen Beteiligung an den Kosten der Altlastensanierung kann angesichts des Beitrags der Gasag in Höhe von 750.000 Euro die Rede sein, aber bestimmt nicht bei „EUREF“.
Ganz gezielt werden hier die unterschiedlichen Planungsphasen und die tatsächlichen Kosten der Bodensanierung miteinander vermengt. Dass der Projektentwickler Reinhard Müller („EUREF“) auch nur einen Euro dazugegeben hat, ist äußerst unwahrscheinlich. Die Kosten lagen vermutlich wesentlich unter dem veranschlagten Betrag, und eine Abrechnung liegt dem Bezirk nach Aussagen von Bernd Krömer gar nicht vor. Folgerichtig konnte Krömer auf Nachfrage in der BVVam 13.4.2011 den Betrag, der tatsächlich von „EUREF“ für die Sanierung der Nordspitze aus eigenen Mitteln geleistet worden ist, nicht beziffern.
Diffamierung der Grünen
Unter der Hand wird außerdem aus dem Bezirksamt gern verbreitet, dass ja in der letzten Legislaturperiode nur eine „Plane“ über die Altlasten gedeckt werden sollte. Unterschwellig soll damit der vormaligen Dezernentin Elisabeth Ziemer (Grüne) wegen ihres Altlastensicherungskonzepts eine verantwortungslose Vorgehensweise unterstellt werden. Erst mit Hilfe von „EUREF“ habe man sich eine „ordentliche“ Sanierung leisten können. Damit sind alle Tatsachen verdreht. Der Hintergrund ist Folgender:
Nach jahrelanger Planung der Grünfläche auf der mit Altlasten verseuchten Nordspitze des alten Gaswerks, welche die Gasag dem Bezirk abtreten wollte, war man 2006 ganz nah an einer vertraglichen Vereinbarung über die Übertragung und den finanziellen Beitrag der Gasag zur Sanierung. Die Nordspitze wurde im Sommer 2006 als Grundstück schon einmal abgetrennt. Am 5.9.2006 kam ein gemeinsamer Antrag zu diesem Thema von Elisabeth Ziemer (Grüne) und Gerhard Lawrenz (CDU) vor das Bezirksamt und wurde angenommen, u.a. auch vom damaligen Sozialdezernenten Bernd Krömer (CDU). Das Stadtumbaugebiet Südkreuz (seit November 2005) befand sich damals noch in der Anfangsphase und erst in der Förderperiode 2007-2013 wurde die Mittel erheblich aufgestockt.
Und was hatte das Gremium inklusive Krömer 2006 beschlossen? Es sollten Verhandlungen mit der Gasag mit zwei hauptsächlichen Zielen geführt werden:
„Sicherung der Altlasten durch die Gasag unter Einhaltung der Prüfwerte, die für eine öffentliche Grünanlage mit Spielbereich gelten. Zur Festlegung der zur Sicherung der Fläche notwendigen Maßnahmen ist ein Folgevertrag unter Federführung des Fachbereichs Umwelt abzuschließen. Bei dem Altlastensicherungskonzept zu akzeptieren, dass Altlasten, die aus Kostengründen nicht beseitigt werden können, unschädlich für die geplante öffentliche Nutzung im Untergrund abgedeckt verbleiben können. Die weitergehende Gestaltung der gesicherten Altlastenflächen als pflegeleichte öffentliche Grünanlage mit Spielbereich durch die Gasag zu erreichen. Die anschließende unentgeltliche Übernahme der Fläche mit den gesicherten Altlasten im Untergrund im Fachvermögen des Fachbereichs Natur und Angliederung an den Cheruskerpark zu vollziehen. Hierzu ist ein entsprechender Übertragungsvertrag für das Grundstück als Folgevertrag unter Federführung des Fachbereichs Liegenschaften zu verhandeln und zu beurkunden.“
Krömers Gefälligkeiten
An diesen Beschluss fühlte sich das nachfolgende Bezirksamt (Wahlen waren im November 2006) mit dem neuen Baustadtrat Krömer offensichtlich nicht mehr gebunden. Die Verhandlungen wurden 2007 nach Intervention von Reinhard Müller unterbrochen. Im weiteren Verlauf war er an den Verhandlungen zwischen GASAG und Bezirk direkt beteiligt und machte seinen Einfluss geltend. Und nun wurde es durchgängig vorteilhaft – vor allem für den Projektentwickler:
- Folge 1: Der Park wurde verkleinert, Müller („EUREF“) erhielt zum Preis von 1 Euro 3.500 qm der Fläche als Bauland.
- Folge 2: Der Projektentwickler Müller stellte die Bedingung, dass der Boden der zukünftigen öffentlichen Grünanlage, die an sein zukünftiges Grundstück grenzte, komplett zu sanieren sei. Leider hat er sich soweit erkennbar an den Kosten dafür nicht beteiligt.
- Folge 3: Die Kosten, die das vorhergehende Bezirksamt minimal halten wollte, sind explodiert. Aus eigenen Haushaltsmitteln haben Krömer und Schworck 600.000 Euro auf Nordspitze und Cheruskerpark verbaut, zusätzlich zu den 443.000 Euro Stadtumbaumitteln für den Parkbau auf der Nordspitze.
Die betreffende Journalistin hat nach eigenen Angaben zusätzlich noch ein Gespräch mit Baustadtrat Krömer geführt. ↩