Lokalpolitiker

Auch in der Provinzpolitik von Tempelhof-Schöneberg bestimmen vor allem persönliche Beziehungen und Lokalpolitiker das Geschehen. Wer in den letzten fünf Jahren was für wen am Gasometer machte, ist uns einen genaueren Blick wert. Vorhang auf für das „Who is Who“ der Tempelhof-Schöneberger Provinzpolitik:

Tafelsilber der Kommune

Die Schaffung von Baurecht und der Erlass von Bebauungsplänen mit ihren weit reichenden Folgen für den Geldbeutel des jeweiligen Grundstückseigentümers gehören zu den letzten wichtigen Aufgaben der Berliner Bezirke. Bauplanungsrecht ist das „Tafelsilber der Kommune“. In einem politisch weitgehend entmachteten Bezirk mit wenig eigenen Zuständigkeiten und einem durch hohe laufende Verbindlichkeiten stark eingeschränkten Etat kann das Beziehungsgeflecht zwischen Baulöwen und Kommunalpolitikern Wunder bewirken. Da wird eine Industriebrache zum wertvollen Kerngebiet, und schon kann richtig gebaut werden. Wer machte dies am Gasometer und an anderen Stellen im Bezirk möglich, und mit welcher Rollenverteilung spielen die Beteiligten?

Ekkehard Band (SPD) – der Maulkorbkäufer

Ekkehard Band (SPD) bei einem offiziellen Anlass 2011

Ekkehard Band war seit 2001 Bezirksbürgermeister in Tempelhof-Schöneberg und ist altersbedingt bei den Wahlen 2011 nicht wieder angetreten. Zuvor war er Stadtrat für Volksbildung in Tempelhof. Als Bezirksbürgermeister war er unter anderem zuständig für „Personal und Verwaltung“ und in dieser Funktion oberster Korruptionsbekämpfer der Bezirksverwaltung.

Band erregte Aufsehen, als er mit Reinhard Müller und der EUREF AG (später geändert auf Remtec, eine andere Firma aus Müllers Firmengeflecht) einen Vertrag schloss, der im Gegenzug für eine monatliche Spende von 630 Euro für ein Jugendprojekt das Bezirksamt zu „Wohlwollen“ gegenüber der Betreiberin des Gasometerprojekts verpflichtete. Dieser später nicht verlängerte „Maulkorbvertrag“ brachte Band in die überregionale Presse1 und rief ansonsten überwiegend Kopfschütteln hervor.

Bernd Krömer (CDU) – der Durchprügler

Wahlplakat Krömer

Auf seinem Wahlkampfplakat 2011 betont und bis zum Umfallen lässig, ist Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) keine Lichtgestalt. Er war bis 2006 Sozialstadtrat und machte nach seinem Wechsel auf den Posten des Baustadtrats die Gewährung größtmöglichen Bau- und Planungsrechts zu seiner persönlichen Angelegenheit.

In dem nachstehend als Ausriss dargestellten Interview mit dem Anzeigenblatt „Berliner Woche“2 griff Krömer beispielsweise gleich drei Mal daneben.

Interview Berliner Woche

Und dies mit allem Nachdruck und ohne Rücksicht auf sein eigenes Ansehen- auf sein „Leuchtturmprojekt“ (ein abgegriffenes Schlagwort desorientierter Bezirkspolitiker) ließ er während der letzten 5 Jahre nichts kommen und zeigte einige Highlights aus der Abteilung „Tricksen, Täuschen & Drohen“:

  • Krömer machte die Umwandlung der umstrittenen Genehmigung für die Leuchtwerbung am Gasometer zur Chefsache. Als sich Reinhard Müller3 über die wenig komfortablen Bedingungen der Genehmigung für den „Nightmare-Screen“ beklagte, wusste Krömer Abhilfe.4 Um die Leuchtwerbung dauerhaft unter Dach und Fach zu bringen, schloss Krömer persönlich im Frühjahr 2008 ohne Not und Anlass einen für den Bezirk sehr unvorteilhaften Leuchtwerbungsvertrag mit Reinhard Müller, der diesem längere Werbung und weiträumigere Fristen bezüglich der Sanierung des Gasometers gewährte.
  • Zur behördlichen Durchsetzung des neuen Bebauungsplans, dessen Konflikte mit dem bestehenden Denkmalschutz für das Gaswerk Schöneberg absehbar waren, musste Krömer zu anderen Methoden greifen. Direkten Einfluss konnte er auf die ihm unterstellte Untere Denkmalschutzbehörde (UD) nehmen. Dort wurde die für den Gasometer zuständige Sachbearbeiterin zeitweilig von dieser Aufgabe entbunden. Die Stellungnahme der UD vom 25.4.2008, die keinerlei gravierende Bedenken enthielt, wurde statt von der eigentlich für den Bezirk Schöneberg zuständigen Sachbearbeiterin von der für Tempelhof zuständigen Kollegin Dorothea Schwiete unterzeichnet. Kurze Zeit danach heiratete diese Bernd Krömer. In der Sitzung des Landesdenkmalrates vom 20.6.2008 war die UD unter anderem durch Frau Krömer (vormals Schwiete) vertreten, als über den Tagesordnungspunkt „Gasometer Schöneberg“ geredet wurde.
  • Als das Landesdenkmalamt schwere Bedenken gegen die großzügigen Bauplanungen am Gasometer vorbrachte und u.a. die „Verzwergung des Industriedenkmals“ rügte5, erteilte Krömer dem für Schöneberg seit langen Jahren zuständigen Sachbearbeiter des Landesdenkmalamts eine Art dienstliches Hausverbot im Rathaus Schöneberg und äußerte den Wunsch, dass dieser keinen direkten Kontakt zu den Mitarbeitern seiner unteren Denkmalbehörde aufnehme. Nach eigener Darstellung6 wurde „… darauf verwiesen, dass die routinemäßigen Dienstbesprechungen zu Fragen des Denkmalschutzes in anderen Räumen stattfinden sollten“. Jedenfalls bedankte sich der betroffene Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes später in einer Ausschusssitzung ausdrücklich für die Einladung des Ausschusses, da er ja „im Rathaus Schöneberg so eine Art Hausverbot“ habe und deswegen besorgt gewesen sei.
  •  Kurz darauf beschwerte Krömer sich persönlich beim Leiter des Landesdenkmalamts über die fachlichen Standpunkte und Bedenken dieses Beamten und forderte auf der Leitungsebene die Zustimmung des Landesdenkmalamts zum Bebauungsplan 7-29 ein. Das Landesdenkmalamt knickte dann auch letztlich ein und erteilte bei der zweiten Stellungnahme7 die gewünschte Zustimmung.
  • Die von Reinhard Müller bereits 2007 „noch in diesem Jahr“ versprochene Instandsetzung des Gasometers Schöneberg wurde von Krömer auffallend lax gehandhabt und nie mit dem notwendigen Nachdruck eingefordert. An die immer wieder verschleppte und bis heute nicht nachhaltig begonnene Instandsetzung des verrosteten Industriedenkmals musste Krömer immer wieder erinnert werden. Zuletzt legte er sich auf die Sprachregelung fest, dass Bezirksamt „habe keinen Grund zur Annahme, die Instandsetzung werde nicht bis März 2014 abgeschlossen sein“. Krömer hat nicht nur selbst und persönlich mit grüner Tinte den Vertrag unterzeichnet, welcher dem Projektentwickler Reinhard Müller immer wieder neue Schlupflöcher bietet, sondern auch die BVV falsch informiert. Auf Anfrage erklärte er, es sei fristgerecht mit der Sanierung im Februar 2009 begonnen worden.8 Die Untere Denkmalschutzbehörde hatte ihn jedoch in einem internen Vermerk informiert, dass es sich um eine nicht genehmigte Einzelmaßnahme gehandelt habe, die nicht in kontinuierliche Sanierungsarbeiten mündete.9
  • Krömer neigt zur abenteuerlichen verbalen Schnellschüssen und mag diese später ungern hören oder gar korrigieren. Als es um die Leuchtwerbung und deren Auswirkungen auf die Anwohner ging, erklärte er in einem Zeitungsinterview, das sei nicht so schlimm, denn „da wohnt ja keiner“. Gemeint war der Bereich nach Süden unmittelbar vor der Leuchtwerbung. Dass dort etwa 300 Bürger seines Bezirks wohnen und leben, war dem forschen Stadtrat vollständig entgangen. Auch sonst trickste Stadtrat Krömer gern, wenn es um die Leuchtwerbung seines Vertragspartners Reinhard Müller ging.
  • Krömer erklärte mehrfach öffentlich, der Vorhabenträger (Müller/EUREF) habe an der Nordspitze erhebliche Beträge für die Altlastensanierung ausgegeben bzw. der Bezirk habe sich den Park allein nicht leisten können. Da Krömer offiziell gar nicht weiß, ob der Projektentwickler Geld ausgegeben hat, handelt es sich um eine Aussage wider besseren Wissens, die der Imageverbesserung des Projektentwicklers dient und vom Schaden ablenkt, der der öffentlichen Hand dadurch entstanden ist. Wegen der für den Bezirk unvorteilhaften Vertragsgestaltung zur Sanierung der Nordspitze liegen dem Bezirk überhaupt keine handfesten Belege oder gar eine Abrechnung dafür vor, dass der Vorhabenträger überhaupt eigenes Geld für die Sanierung der Nordspitze ausgegeben hat. Nachweisbar gezahlt haben nur die GASAG und der Bezirk – zusammen mehr als 1.000.000 EUR.
  • Rein zufällig fand der Landesparteitag der CDU vom 12.02.201110 im Schöneberger Gasometer statt. Organisator dieser Veranstaltung dürfte Bernd Krömer in seiner Funktion als Generalsekretär der Berliner CDU gewesen sein. Und ich vermute, dass die Nutzung des Gasometers für diese Veranstaltung entweder besonders günstig war – eine Art verdecktes Parteiensponsoring oder aber (auch umgekehrtes Sponsoring wäre denkbar) eine satte Einnahme für den Vermieter aus den gut gefüllten Kassen der Berliner CDU brachte. Gegenseitige Gefälligkeiten und Austauschbeziehungen dieser Art haben immer etwas gemeinsam: Sie schaffen ein korruptes Beziehungsgeflecht zwischen Politik und Wirtschaft. Immer nach dem Motto „Du schuldest mir was“.

Krömer, der in seinen Redebeiträgen vor der Bezirksverordnetenversammlung nach der stereotypen Einleitung „erlauben Sie mir vorab eine persönliche Bemerkung“ gern unsachlich und persönlich wird, zuweilen auch Bürger namentlich diffamiert, hat schon lange Ambitionen in der Berliner CDU. In einer großen Koalition von SPD und CDU wird er sich möglicherweise bald in die Landespolitik verabschieden.

Andreas Baldow (ex-SPD) – der Strippenzieher

Andreas Baldow (ex-SPD) hat Projektentwickler Reinhard Müller am Schöneberger Gasometer zusammen mit seinem ehemaligen Chef aus der Senatsbauverwaltung die Türen bei der SPD auf Bezirksebene geöffnet. Und zwar zunächst in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Stadtplanung und Sprecher seiner Partei für diesen Politikbereich. Er ist danach im April 2009 in das von Bernd Krömer (CDU) geleitete Amt für Bauwesen, Abteilung Stadtplanung als Fachbereichsleiter gewechselt. Er beschreibt auf seiner Homepage seinen Aufgabenbereich dort mit „politische Koordination des Amtes“ sowie „fachbezogene Einzelthemen“. Kurz darauf folgte sein Austritt aus der SPD.

Baldow war zuvor mehr als 10 Jahre Mitarbeiter im Stadtplanungsamt Kreuzberg und wechselte danach in die Senatsbauverwaltung, wo er zuletzt für „Grundsatzangelegenheiten der Bauleitplanung und deren Durchführung“ zuständig war. Um Großprojekte dürfte es ich dabei im normalen Sprachgebrauch handeln. In der Senatsverwaltung für Bauen arbeitete auch Christian Kuhlo, der bereits 2007 in das Firmenimperium von Reinhard Müller gewechselt war und zusammen mit dem ehemaligen Baustadtrat Uwe Saager (SPD) als anwaltlichem Vertreter Müllers die Ausweisung eines Kerngebiets am Gasometer angeschoben hatte.

Die notwendigen Mehrheiten für ein Kerngebiet am Gasometer organisierte bei der SPD Andreas Baldow. Er war bereits seit 2001 als Bezirksverordneter für die SPD Vorsitzender des Bauausschusses, Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses, Sprecher für Hochbau und Facility-Management seiner Partei und auch Leiter des Arbeitskreises Stadtentwicklung der SPD.

Diese Ämter legte Baldow zwangsläufig nieder, als er im April 2009 auf ausdrücklichen Wunsch von Baustadtrat Krömer in die Bezirksverwaltung wechselte. Bei dieser Ämtervielfalt ging ohne Baldow zwischen der Einleitung des Bebauungsplanverfahrens 7-29 und dem Wechsel in das Bezirksamt bei der SPD in der Stadtplanung nichts. Mit ihm jedoch fast alles. Jedenfalls stellte sich die SPD-Fraktion der BVV geschlossen hinter ihren Fachsprecher und stimmte mehrheitlich für die Ausweisung eines Kerngebiets am Gasometer. Schlicht war die Argumentation des Fachmannes für Stadtplanung der SPD in einer Diskussion mit der BI Gasometer:

… bei diesem Projekt habe ich ein gutes Bauchgefühl

Ob das Bauchgefühl des damaligen SPD-Mannes Baldow auch von anderen Faktoren abhängig war, bleibt die offene Frage.

Oliver Schworck  (SPD) – der Stillhalter

Oliver Schworck (SPD); Quelle: Bezirksamt

Oliver Schworck (*1968) kam wie Andreas Baldow 2001 in die BVV. Seinem Lebenslauf nach hat er ein abgebrochenes Jurastudium und eine Ausbildung zum diplomierten Finanzwirt hinter sich. Er wurde 2006 Stadtrat für Bürgerdienste, Ordnungsaufgaben, Natur und Umwelt und damit zuständig für die Überwachung von Lärm- und Lichtemissionen am Gasometer ebenso wie für die komplexe Grünplanung entlang des ehemaligen GASAG-Geländes.

Als besonderes Anliegen seiner Tätigkeit entdeckte Schworck übersichtliche Parkanlagen und großzügige Rodungen: An der nördlichen Seite des Cheruskerparks ließ er ebenso wie am Heinrich Lassen Park großzügig Bäume und Büsche roden. Und zog sich damit regelmäßig den Zorn der Anwohner/innen zu, die sich übergangen fühlten und unzureichend informiert. Dabei argumentierte Schworck stets, nur mit freien Flächen könnten Drogenhandel und Prostitution eingedämmt werden. Dies ist ein Ammenmärchen aus der Mottenkiste populistischer Kommunalpolitiker, doch das ficht Schworck nicht an. Sein politischer Ziehvater Ekkehard Band (SPD) vertrat auf einer legendären Anwohnerversammlung im Spenerhaus in der Leberstraße ähnliche Thesen, über die viele (auch ältere-) Anwohnerinnen und Anwohner des Cheruskerparks heute noch lachen.

Die vom vorherigen Bezirksamt nach allen Regeln der Kunst gesicherten Altlasten auf der Nordspitze machten Schworck scheinbar besonders viel Angst. Er sorgte zusammen mit Baustadtrat Krömer dafür, dass mehr als 400.000 EUR als städtebauliche Einzelmaßnahme ohne Abrechnungspflicht des Vorhabenträgers für die Altlastensanierung der Nordspitze zugeschossen wurden und zeigte sich bei Presseterminen und in der BVV stets besorgt über die

„grün schillernde Sondermülldeponie“.

Die Beseitigung solcher Altlasten und Bodenverunreinigungen muss stets kostenfrei durch den Eigentümer erfolgen – spätestens bei einem Eigentümerwechsel oder einer Nutzungsänderung. Doch das kümmerte Schworck wenig, der lieber zusammen mit seinem politischen Ziehvater Ekkehard Band (SPD) und großen Baggern für die Kameras der Presse posierte und viel Geld ohne Abrechnung ausgab.

Angelika Schöttler (SPD) – die Geldnehmerin

Wahlplakat Schöttler (2011)
Wahlplakat Schöttler (2011)

Angelika Schöttler war seit 2002 bis Herbst 2011 Jungendstadträtin und als solche nicht mit Bauplanung befasst. Sie trat zu den BVV-Wahlen 2011 als Spitzenkandidatin der SPD an.

Frau Schöttlers Behörde leistet sich seit Jahren einen eigenen Pressesprecher, den weiter unten erwähnten Wolfgang Koch. Und gibt (aktuell im 11. Jahrgang Nr. 39) ein Faltblatt namens KITS heraus. Darin finden sich (gelesen anhand der genannten Ausgabe) fast 30 Berichte über Verwaltungsinterna von Frau Schöttler – Rocktreff, Besuchstermine der Stadträtin, Jubiläen und Jubilare. Und in beinahe jedem Wort- oder Bildbeitrag ist die Frau Schöttler zu sehen oder erwähnt.

Sponsorenpool: Werbung in KITS

Erwähnenswert? Wohl nur als Beispiel provinzpolitischer Eitelkeit und Selbstdarstellung, wenn es nicht die Finanzierung gäbe. Frau Schöttler (ihr Amt) nimmt für ihre vielfältigen Aktivitäten Geld und Sachmittel von Sponsoren, wobei dies wie im Fall des notorischen Rocktreff Mariendorf so läuft, dass sich das Bezirksamt artig bedankt für Spenden an den Rocktreff.

Die Liste der Sponsoren lässt aufhorchen. Warum die PSD Bank dem Bezirksamt kostenlos Fahrzeuge zur Verfügung stellt, können wir aus der Sicht des Werbetreibenden kaum verstehen. Sponsoren wie GASAG, EUREF AG oder der Indoor-Spielplatz-Betreiber Krazy Town (im Neubau am Tempelhofer Hafen, dem letzten Projekt von Reinhard Müllers Firmen) haben schon eher ein erkennbares Interesse daran, gute Beziehungen zur Spitzenkandidatin der Tempelhof-Schöneberger SPD zu unterhalten. Und sei es auch nur dazu, Frau Schöttler11 zusätzlich zur Anzeigenwerbung redaktionelle Werbung zu ermöglichen, wenn die Stadträtin etwa „von zahlreichen Spielangeboten im Krazytown begeistert“ ist und hinzufügt, dass ihre

„bezirklichen Jugendfreizeitheime auch alle sehr attraktiv sind und viele Mitmachmöglichkeiten böten.“12

Die Grenzen zwischen Werbung, redaktioneller Werbung und redaktionellem Eigenlob verschwimmen hier vollständig.

KITS Nr. 39; Quelle: Bezirksamt TS

Und wer dann Erinnerungsfotos wie den Ausriss rechts sieht,13 den überkommt das Grausen.

Mit Umhängebändern und T-Shirts – so leicht ist die derzeit wichtigste Kommunalpolitikerin der SPD Tempelhof-Schöneberg zu haben. Zu sehen ist auf dem Bild neben EUREF-Vorstand Reinhard Müller und Angelika Schöttler auch die Vorsitzende des Hauptausschusses der BVV, Frau Dittmeyer (CDU).

Wer es nicht wissen sollte: Im Hauptausschuss, dessen damalige Vorsitzende Frau Dittmeyer war, werden alle wichtigen finanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen des Bezirks vorbereitet – kurz: „Ein Schelm,wer da was Böses denkt.“

Es verwundert nicht, dass die Modalitäten der gegenseitigen Ehrerbietung und Bezahlung etwas komplexer sind als in einem altmodischen Mafiafilm und weder durch Bargeldkoffer auf dem Parkplatz, noch durch Verrechnungsschecks für die Parteikasse abgewickelt werden. Dokumentiert ist das durch die Antwort des Bezirksamts auf eine kleine Anfrage des Bezirksverordneten Rolf Brüning (Grüne) im Juli 2009, bei der es um die Finanzierung des Rocktreff Mariendorf 2009 ging. Im Prinzip stellt sich das Schema der Geldflüsse so dar:

  • das Jugendamt beauftragt den Verein CPYE e.V. mit der Durchführung des Rocktreffs und zahlt dafür aus Bezirksmitteln eine Zuwendung von 9.200 EUR an CPYE
  • CPYE macht die Verträge mit den Lieferanten, Künstlern und Veranstaltungstechnik Popella – insgesamt geht es angeblich (wer will das wissen) um Kosten von „rund 30.000 EUR“.
  • CPYE vereinnahmt Spenden und sonstige Leistungen der Sponsoren.
  • CPYE wirbt Sponsoren, die mit Bar- oder Sachspenden zum Gelingen des Events beitragen. Diese Spenden bestehen teilweise in geldwerten Gefälligkeiten (wie im Fall der Leuchtwerbung für den Rocktreff am Gasometer, welche von der Firma Megaposter am Gasometer ausgestrahlt wird oder auch den Bändchen von EUREF. Andere Spenden sind Geld.
  • Eine Pflicht zur Abrechnung über die Einnahmen und weiteren Kosten der Veranstaltung besteht offenbar nicht.
  • Durch die Fremdvergabe des Bezirksamts an CYPE sind die Mittel und deren Verwendung sowie Abrechnung dem unmittelbaren Zugriff der politischen Gremien entzogen. Wer während der Veranstaltung von wem wie viel Einnahmen erhält (Verkauf, Eintrittsgelder, Getränkestände, Standgebühren) bleibt außerhalb des Bezirksamts.
  • Eins jedoch ist sicher und braucht nicht abgerechnet werden: Die Anschubfinanzierung in Höhe von 9.200 EUR ist kommt aus dem Bezirksetat.

Derartige Systeme der gegenseitigen Vorteilsgewährung sind nicht strafbar, sind keine Bestechung oder Vorteilsnahme im Amt. Sie gelten jedoch als Einstieg in korrupte Beziehungsgeflechte und schaffen über die Gewährung und Entgegennahme materieller und ideeller Vorteile ein Beziehungsgeflecht, das zuletzt so ausgestaltet sein kann wie in „Der Pate“:

Ich habe Deine Berichterstattung finanziert, Deinen Namen genannt und Dir Events organisiert – Du schuldest mir was!

Von den Organisatoren solcher Vorteilsgewährung erwartet man eigentlich, dass sie wissen, was sie tun. Wie Reinhard Müller bei Abschluss seines Maulkorbvertrages mit Ekkehard Band. Es wäre an den Politikern, hier sensibler mit Systemen der Vorteilsgewährung umzugehen vor allem dann, wenn sie (wie Angelika Schöttler) Ambitionen für das höchste Verwaltungsamt im Bezirk – den Posten der Bezirksbürgermeisterin – haben. Die wäre nämlich (wie ihr Amtsvorgänger) für Personal, Verwaltung und Compliance (Korruptionsbekämpfung) zuständig.

Wolfgang „Ed“ Koch (EX-SPD) – der Sponsorenversteher

Wolfgang Koch, der sich 2007 seinen Rufnamen „Ed Koch“14 als Künstlernamen im Personalausweis eintragen ließ, organisiert mit einer 0,5 Teilzeitstelle als Angestellter des Bezirksamts die Öffentlichkeitsarbeit der Stadträtin Angelika Schöttler (SPD) – davon war bereits die Rede. Mit dem anderen Teil seiner Bezirksamtsstelle15 verwaltet er als Geschäftsführer das Tempelhofer Forum, einen Zusammenschluss diverser Jugendhilfeträger und Vereine, die in einem größeren Gebäude in Tempelhof untergebracht sind. Dies ist jedoch nur eine der zahlreichen und meist öffentlich dargestellten Funktionen, Ämter und Aktivitäten dieses umtriebigen Mannes, der unter anderem und vor allem den „jugendpolitischen Pressedienst“ paperpress herausgibt, der über verschiedene im Interesse von Herrn Koch liegende Themen berichtet.

Screenshot: paperpress 2007; Quelle: http://www.sommerlochparty-berlin.de

Diese Themen sind vielfältig, es geht häufig um Alkohol oder Partys wie in der hier als Screenshot zitierten Ausgabe vom Sommer 2007, die sich umfänglich mit Bierkonsum und festlichen Aktivitäten befasst. Auch über andere festliche Aktivitäten berichtet der jugendpolitisch engagierte Herr Koch häufig und ausführlich. So zum Beispiel über das alljährlich stattfindende Grünkohlessen bei paperpress, für das früher ein Jugendfreizeitheim und seit 2001 das Tempelhofer Forum einschließlich Küche für mehrere Tage in Beschlag genommen werden. Geht ja, denn das Tempelhofer Forum ist eine repräsentative Immobilie, die laut Auskunft der damaligen Stadträtin für Jugend Angelika Schöttler (SPD) vom April 2011 „paperpress“ und Herrn Koch und den mit ihm zusammen hängenden Organisationen kostenfrei zur Verfügung steht. Zitat aus paperpress16:

Die Antwort von Stadträtin Angelika Schöttler konnte natürlich nur lauten, dass der Paper Press e.V. keine Zuwendungen vom Bezirksamt erhält. Und dass der gemeinnützige Jugendhilfeträger Paper Press e.V., wie alle anderen auch, Räumlichkeiten des Bezirks kostenlos nutzen darf, ist kein Geheimnis. Im Falle des Paper Press e.V. ist dies übrigens seit 1979, dem Gründungsdatum des Vereins so. Dass der Verein seinen Sitz im Tempelhofer Forum, der Bildungs- und Begegnungsstätte des Jugendamtes, gemeinsam mit anderen Vereinen, hat, ist ebenfalls kein Geheimnis.

Der Erlös eines solchen Gelages für den -selbstverständlich- gemeinnützigen Zweck in 2011?17

Der Überschuss des Grünkohlessens 2011 betrug 472,11 Euro.

Für den Verein – gemeinnützig. Versteht sich. Da wünscht man doch, wohl gespeist zu haben. Der gemeinnützige Zweck der Veranstaltung ist anhand dieses bescheidenen Erlöses wohl gering einzustufen. Insbesondere wenn man sich die Kosten vor Augen führt:

Die Kosten für das „Tempelhofer Forum“, in dessen Räumen Herr Koch und paperpress kostenlos residieren, mit seinem Geschäftsführer Wolfgang Koch belaufen sich laut Auskunft des Bezirksamts im Jahr 2010 auf ca. 15.000 EUR Personalkostenzuschüsse, „etwa 25.000 EUR Infrastrukturkosten“ und Gebäudekosten in 2009 von 25.783 EUR budgetwirksame sowie 123.926 EUR nicht budgetwirksame Kosten. So ganz umsonst ist die Speisung denn doch nicht gewesen.

Natürlich zählte im Übrigen beim Grünkohlessen auch Reinhard Müller zu den Gästen. Das bringt uns zum Gasometer. Wolfgang Koch und der kostenlos untergebrachte Verein paperpress zählen mit ihrer durchweg enthusiastischen und in mehreren Sonderausgaben (gegen Spende?) auf besondere Anlässe aus der Pressearbeit der Vorhabenträger am Gasometer abgestimmten Berichterstattung seit 2008 zu den wohlwollendsten Presseorganen, was Leuchtwerbung, Empfänge, Veranstaltungen und Prominentenbesuche am Gasometer angeht. Und sind damit (da bekanntlich nicht jedes regionale Presseorgan über jede kleine Häppchenparty auf einer Baustelle berichten will) wichtig für die Pressearbeit von Reinhard Müller und seinen Firmen auf dem ehemaligen Gaswerk. 69 Treffer fördert eine Suche nach dem Stichwort „Gasometer“ bei paperpress bis zum 15.09.2011 zutage. Es gibt fast nichts, was da ausgelassen wird.

Diese durchgehend wohlwollende Berichterstattung geht mit persönlichen Kontakten und Partybesuchen von Wolfgang Koch am Gasometer einher. Bei denen unter langjährigen Bezirksverordneten oft gerätselt wird, in welcher seiner vielen Funktionen Herr Koch beispielsweise einen Pressetermin am 15.01.2009 wahrgenommen hat, über den anschließend berichtet wurde: „Es geht voran“. Als Pressereferent von Jugendstadträtin Schöttler mit Teilzeitstelle? Als Geschäftsführer des Tempelhofer Forums mit einer weiteren halben Stelle (Dienstsitz im Tempelhofer Forum)? Als freier Journalist für den jugendpolitischen Pressedienst, der zufällig seine Redaktionsräume kostenfrei im Tempelhofer Forum hat? Als Sponsorenwerber des Rocktreff Mariendorf?

Warum Rocktreff? Selbstverständlich ist Herr Koch auch dort sehr engagiert. Als Veranstaltungskoordinator (und langjähriger Vorstand von CPYE e.V. – siehe oben bei Angelika Schöttler) organisiert er Sponsorenwerbung und sorgt für die entsprechenden Kontakte zu den bereits oben genannten Sponsoren. Zu denen mit EUREF, Gasag und Ströer/Megaposter auch die Akteure am Gasometer gehören. Es ist doch fein, wenn man sich immer wieder trifft.

Lars Oberg (SPD) – die Teflonmütze

MdA Lars Oberg (SPD) ist der (2011 wieder gewählte-) Direktkandidat des Wahlkreises 2 am Gasometer und trägt seinen Spitznamen wegen der permanenten Kopfbedeckung, auf welche er Augenzeugen zufolge nur für wenige Sekunden verzichtet beim Wechsel zwischen Fahrradhelm und Mütze. Spaß-Wahlkampf mit „Schönoberg“ und „Mütze zeigen“ sind seine Markenzeichen.

Er verwendet zwar den Gasometer im Logo seiner Internetpräsenz, machte sich aber ansonsten in diesem Bereich seit 2008 eher rar. Lassen wir Herrn Oberg selbst sprechen:18

So habe ich mich auch intensiv an der Diskussion um die Zukunft des Gasometer-Geländes beteiligt und zum Beispiel alle Anwohner mit einer Postkartenaktion dazu aufgerufen sich am Bebauungsplanverfahren zu beteiligen. Am Beispiel Gasometer kann man aber auch sehen, dass ich als Abgeordneter mich zwar einmischen, aber am Ende eben nicht entscheiden kann. Ich habe für geringere Bauhöhen und ein geringeres Bauvolumen dort geworben, die Mehrheit der BVV (auch meine Partei) hat das allerdings anders gesehen.

Anders gesehen hat das die SPD des Bezirks Tempelhof-Schöneberg mit Herrn Baldow – zweifellos. Aber wo und wie sich Herr Oberg im Abgeordnetenhaus für das große Industriedenkmal in seinem Wahlkreis eingesetzt hat – das ist uns nicht bekannt. Wie überhaupt nicht nur wir denEindruck haben, dass die Mütze von Lars Oberg mit Teflon beschichtet ist.

Oberg besetzt gerne schnell Themen und zeigt sich häufig in seinem Wahlkreis. Arbeitet aber für diesen nach Eindruck vieler seiner Wahlbürger nie inhaltlich oder dauerhaft. Er zeigt die Mütze, aber wofür sie wirklich steht, erfährt der Wahlkreisbewohner nicht. Er hat als erster vom Gasometer berichtet. 2009 schreibt er auf Homepage, das Projekt von Müller sei Luftnummer gewesen. Aber was folgt daraus?

Es ist schwer bis unmöglich, bei diesem Abgeordneten überhaupt Positionen für oder gegen etwas auszumachen. Auf Nachfrage hört man zumeist etwas über „wissenschaftspolitische Arbeit“; nun gut. Der moderne Politikstil ist das – nachdrücklich vermeiden, Position zu beziehen.

Wir wünschen weiter gutes Gelingen!

Jörn Oltmann (Grüne) – miteinander reden

Jörn Oltmann (Grüne); Quelle: Facebook

Jörn Oltmann (Grüne) ist Fraktionsführer der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung und zuständig für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung. Oltmann organisierte aufwändig eine Informationsveranstaltung zum Thema Gasometerplanung und sorgte ebenso wie der frühere Bezirksverordnete Rolf Brüning (Grüne) immer wieder durch Anfragen für Unruhe in den Reihen der Mehrheit von CDU und SPD (Zählgemeinschaft 2006-2001). Wohl auch durch die Versäumnisse in der Bürgerbeteiligung am Gasometer ließ er sich zu anspruchsvollen Verbesserungsvorschlägen für die Bürgerbeteiligung im kommunalen Wahlprogramm der Grünen für die Wahl 2011 inspirieren. Unvergesslich allerdings auch eine Äußerung von Oltmann in einer Ausschussitzung und danach zur Bürgerinitiative:

man muss mit dem Vorhabenträger reden, wenn man eine Veränderung der Planung erreichen will

Aha?

Renate Giese (Grüne) – zu spät

Wahlkampf-Flyer Renate Giese (2011)

Renate Giese (Grüne) hatte bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 ein schweres Los. Sie sollte als Direktkandidatin der Grünen im Wahlkreis 74 gegen den starken Mann der Berliner SPD Michael Müller antreten.

Und das auch noch über die Bahngleise hinweg. Der Wahlkreis erstreckt sich von Neu-Tempelhof am Platz der Luftbrücke bis zur Leberstraße. Wer sich so etwas ausdenkt, gehört übrigens für 5 Wahlen als Wahlhelfer nach Somalia abgeordnet.

Frau Giese erkannte zielsicher den Gasometer und die dortigen Bebauungspläne als Thema am Rande ihres Wahlkreises.

Und machte sich nun (im September 2011!) für die Umwelt, Licht und moderate Bebauung stark:

Flyer 02

Das ist wirklich lieb gemeint. Kommt aber leider zu spät.

Abgesehen von der fehlenden Zuständigkeit des Abgeordnetenhauses für diese Fragen des kommunalen Baurechts sind Verschattung und Verdichtung bereits weitgehend beschlossen und dürften kaum noch rückgängig zu machen sein. Hoffen wir also, dass Frau Giese wenigstens lokal Gelegenheit bekommt, sich um die Verkehrsströme am Gasometer zu kümmern. Sie ist ab Oktober 2011 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks.

Alexander Ziemann, Stand: 18.10.2011


  1. der Spiegel berichtete in der Ausgabe 29/2008 über den Vorgang unter der Überschrift „Dubiose Verträge“ 

  2. Ausgabe Nr. 20 vom 14.05.2008 

  3. oder für ihn eine seiner Firmen, wie immer in diesem Artikel 

  4. vielleicht auch der als Rechtsbeistand von Müller fungierende ehemalige Bezirksstadtrat Uwe Saager 

  5. Schreiben vom 24.4.2008 unterzeichnet von Anna Maria Odenthal 

  6. Schreiben des BA TS vom 03.11.2011 

  7. Schreiben vom 26.5.2009 unterzeichnet von Helga Maria Bonenkamp. Eigentlich zuständig wäre die Leiterin der Abteilung Bau- und Kunstdenkmalpflege, Anna Maria Odenthal, gewesen. 

  8. Sanierung eines durchgerosteten Handlaufs, offenbar eine sicherheitstechnische notwendige Maßnahme. Da die Sanierung gemäß Sanierungsvertrag nach Beginn innerhalb von 5 Jahren abgeschlossen sein soll, wurde entsprechend der März 2014 als Abschlusstermin angegeben. 

  9. Vermerk vom 11.9.2009 

  10. siehe diese Veröffentlichung 

  11. KITS Nr. 39 Seite 52 mit gegenüber liegender Anzeige 

  12. ebenda, Seite 52 

  13. KITS Nr. 39, Seite 9 

  14. Koch ist nach eigenen Angaben 1949 in Berlin geboren, ein echtes „Luftbrückenkind“ und offenbar ist der frühere Bürgermeister von New York Ed Koch ein großes Idol des Berliner Wolfgang 

  15. laut Auskunft der Bezirksstadträtin Schöttler auf eine kleine Anfrage des BV Jörn Oltmann zum Tempelhofer Forum handelt es sich bei den beiden Stellen um jeweils 0,5 Stellenanteile mit unterschiedlichen Dienstsitzen, nämlich damals Rathaus Friedenau für die Öffentlichkeitsarbeit und Tempelhofer Forum in der Gottlieb-Dunkel-Str. 26 

  16. Ausgabe Nr. 468 

  17. Emailantwort auf eine Anfrage vom Mai 2011 an paperpress 

  18. in einer Antwort auf www.abgeordnetenwatch.de