Fakten, Geschichte und Bewertungen zum Bebauungsplan 7-29 „Gasometer Schöneberg“
A. Die Fakten:
Der ursprüngliche Bebauungsplan „7-29“ enthält eine textliche Festsetzung zur Oberkante der möglichen Bebauung im Gasometer: 98,5 m über NHN (Null) und eine Geschossfläche von 30.800 m². Dieser Bebauungsplan ist überholt, weil die verkehrliche Erschließung u.a. durch die damals mit dem Bezirk vereinbarte „Planstraße“ vom Sachsendamm nicht mehr gesichert ist. Denn diese Straße wurde durch die Eigentümern nicht gebaut, obwohl sie sich dazu durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Bezirk verpflichtet hatte.
Es existiert ein Gutachten zur verkehrlichen Erschließung, nach dem eine Erschließung des gesamten Gebiets am Gasometer für Fahrzeugverkehr auch mit einer Geschossfläche von 135.000 m² allein durch die Torgauer Straße (vom Sachsendamm her) möglich sein soll.
Der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Jörn Oltmann (Grüne) möchte erklärtermaßen den obsoleten Bebauungsplan „finalisieren“ und neu mit folgenden Änderungen beschließen lassen:
- Die Flächen der früher geplanten, so genannten „Planstraße“ sollen aus dem räumlichen Geltungsbereich herausgenommen werden
- Die nach dem alten Bebauungsplan „7-29“ insgesamt maximal auf dem Plangebiet zulässige Geschossfläche soll von bisher 163.800 m² auf 135.000 m² reduziert werden.
- Die im Führungsgerüst des Gasometers Schöneberg zulässige Gebäudehöhe soll neu und höher als bisher festgelegt werden: Bebauung bis zu Höhe des vorletzten Ringes (Traufhöhe des Hauptbaukörpers 107 m über HNH) und darüber ein Staffelgeschoss „mit einer sehr flachen Kuppel“ (111 m über NHN, Scheitelpunkt der Kuppel 113 m über NHN) – damit wäre das Führungsgerüst des Gasometers im Ergebnis praktisch bis zum letzten Ring ausgebaut.
- Die höhere bauliche Auslastung des Gasometers bedeutet dort ca. 35.000 m² Bruttofläche statt vorher 30.800 m² (nach dem „alten“ Bebauungsplan „7-29“). Die Höhe der Bebauung steigt um rund 10 Meter; dies entspricht in etwa der halben Höhe eines typischen Berliner Altbaus.
- Eine (völlig unverbindliche-) Äußerung der EUREF/Reinhard Müller zu den Vorteilen für den Bezirk aus diesem Vorhaben ging dahin, dass die notwendige Erneuerung der Torgauer Straße von dort übernommen wird (baulich und möglicherweise kostenmäßig).
- Hier ist die Faktenlage so, dass die Ertüchtigung (Asphaltierung, Straßenentwässerung) der Torgauer Straße in diesem Bereich bereits fertig finanziert und projektiert ist. Sie scheiterte aber bisher daran, dass EUREF die Zustimmung für dafür notwendige Straßenarbeiten verweigert hatte unter Hinweis auf die eigenen Bauarbeiten und den Fahrzeugverkehr auf das eigene Gelände. Die für eine weitere Bearbeitung des Vorhabens durch den Bezirk notwendigen Unterlagen wurden durch EUREF erstmals am 18.11.2020 vorgelegt.1
- Das hinderte EUREF und auch den Bezirksstadtrat Jörn Oltmann (Grüne) zuvor allerdings nicht daran, die für Tiefbauarbeiten zuständige Stadträtin Christiane Heiß (auch Grüne) öffentlich und innerhalb der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ zu diffamieren, weil angeblich die notwendigen Vorarbeiten durch die Stadträtin nicht fertig gestellt worden seien.
- Bei einer Ertüchtigung der Torgauer Straße würde unter anderem eine Entwässerung neu gebaut; unter anderem dafür könnte der Bezirk Erschließungsbeiträge von EUREF erheben, so dass darüber auch eine teilweise Refinanzierung der Straßen- und Tiefbauarbeiten gesichert wäre.
B. Die Geschichte der Unzuverlässigkeit
Je nach Zählung hat EUREF/Reinhard Müller1 in den letzten 13 Jahren (das Gelände am Gasometer wurde von der Gasag 2007 erworben) jedenfalls mehr als 5 Verträge und Versprechen gebrochen. Bekannt ist mir lediglich ein (!) Vertrag mit dem Bezirk, der von Seiten der EUREF eingehalten wurde; dies ist der (für den Bezirk unvorteilhafte-) Vertrag betreffend den Gebietstausch an der so genannten „Nordspitze“ und dessen Sanierung.2 Gebrochen wurden hingegen folgende Verträge und Versprechen:
1. Die Sanierung des Gasometers kam nicht.
Versprochen wurde das schon bei der ersten Vorstellung des Projekts in 2007 von Reinhard Müller, „voraussichtlich noch in diesem Jahr mit einem Aufwand von 3.5 Millionen Euro“ – der damalige SPD Politiker Lars Oberg berichtete damals im Internet öffentlich über ein „Werkstattgespräch mit Bezirksvertretern“3
2. Die Privatuniversität kam nicht
Seit Beginn der Pressearbeit der EUREF wurde immer wieder versucht, das Gebiet als Universitätsstandort in der Öffentlichkeit zu verkaufen. Da sollte zunächst eine Privatuniversität entstehen, das scheiterte zuerst mit Müllers damaligem Partner, dem Projektentwickler und CDU-Mann Groth, danach scheiterte die angekündigte „Bucerius Law School“ und danach kamen und gingen einzelne Büros und Institute der TU-Berlin4 – von einem „Wissenschafts-Standort“ ist heute auf dem Gelände wenig bis nichts zu sehen. Es gibt dort lediglich einige Firmen und Institute, die forschend oder auch forschend tätig sein.
3. Die Leuchtwerbung kam nicht Teil 1
Schon in 2007 machte EUREF/Müller geltend, der Gasometer sei erheblich instandsetzungsbedürftig. Die Sanierung würde so viel kosten, dass dies gegenfinanziert werden müsse. Dazu sei Leuchtwerbung (ein LED-Großbildschirm) auf der südlichen Front des Führungsgerüstes erforderlich. Die Leuchtwerbung wurde zunächst nach direkter Abstimmung mit Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) durch einen Bescheid des Bezirksamts genehmigt mit der Maßgabe, dass die Genehmigung auf zunächst 36 Monate befristet war und Erlöse zur Instandsetzung des Gasometers zu verwenden sind. Dieser Bescheid (verantwortet und verfasst durch die damals zuständige Mitarbeiterin der dem Baustadtrat untergeordneten Denkmalpflege) gefiel anscheinend der anderen Seite nicht. Es gab schriftliche (und wohl auch direkte-) Gegenvorstellungen. Die Mitarbeiterin der Denkmalpflege wurde von ihren Aufgaben entbunden und der Bescheid faktisch zurückgezogen.5
4. Leuchtwerbungsvertrag (Teil 2)6
Der Bezirk, damals noch verantwortlich vertreten durch Baustadtrat Bernd Krömer (CDU), schloss mit der im Firmenimperium Reinhard Müllers für solche Fragen zuständigen „DenkmalPlus Beteiligungsgesellschaft Erste Berlin KG“ einen Vertrag, der gegen die Bedenken der Denkmalpflege eine großflächige LED-Werbung ermöglichte, die dann auch installiert wurde. Im Gegenzug sollte eine Instandsetzung des Führungsgerüstes erfolgen, für die bei Vorbereitung zum Vertragsschluss auch bereits ein Kostenangebot eingeholt worden war.
Die Leitung der dem Baustadtrat unterstellten unteren Denkmalbehörde übernahm eine zuvor ausschließlich für Tempelhof zuständige Sachbearbeiterin des Denkmalamts, die bald darauf Baustadtrat Bernd Krömer heiratete. Es blieb also quasi in der Familie.
Der Vertrag erweiterte den Zeitraum der möglichen Außenwerbung auf 60 Monate und mehr. Mit der Instandsetzung des Gasometers sollte innerhalb von 9 Monaten nach Beginn der LED-Außenwerbung begonnen werden. Die Instandsetzungsarbeiten waren innerhalb von 5 Jahren nach Beginn abzuschließen. Es geschah: Nichts. Die Außenwerbung wurde (wohl wegen fehlendem kommerziellem Interesse) ohne mediale Begleitung etwa 2010 eingestellt. Eine Instandsetzung erfolgte nicht. Die nunmehr zuständige Baustadträtin Sibyll Klotz (Grüne) verfolgte die Angelegenheit nicht weiter; sie war der Ansicht, der Vertrag sei „sanktionslos“ geschlossen worden. Was ich nach wie vor für juristischen Blödsinn halte, es gibt auch so etwas wie Vertragserfüllung; das kann man sogar durchsetzen! Im Ergebnis blieb der Vertragsbruch der EUREF/Müller aber folgenlos. Der Bezirk unternahm nichts.
5. Mai 2011 – immer noch keine Instandsetzung
Auf einer Pressekonferenz am 05.05.2011 wurde angekündigt, jetzt werde die Instandsetzung des Gasometers begonnen. Man werde mit „einer speziellen Lasertechnik“ den überall blätternden Rost entfernen. Dazu seien zunächst Voruntersuchungen erforderlich. Gezeigt wird ein kleiner Abschnitt auf der östlichen Seite des Wasserbehälters, vor dem unter anderem Baustadtrat Krömer mit dunkler Schutzbrille posiert. Vor dem „Testfeld“ wird für die Presse ein Gerüst aufgebaut und mit einer Plastikplane abgedeckt. Es geschieht danach – nichts. Einige Zeit später wurde die offenbar nur für die Presse aufgebaute Kulisse wieder abgebaut.7
6. Die Planstraße kommt nicht
Nach dem Bebauungsplan 7-29 sollte das Kerngebiet am Gasometer wesentlich durch eine so genannte „Planstraße“ vom Sachsendamm kommend erschlossen werden. Die sollte/musste der Vorhabenträger bauen, was in diesem Fall nicht einfach ist, denn es ist dafür auch ein Tunnel unter den Bahnanlagen zwischen S-Bahnhof Schöneberg und Südkreuz erforderlich. EUREF/Müller verpflichtete sich noch vor Beschlussfassung über den Bebauungsplan „7-29“ durch Vertrag mit dem Bezirk, diese Straße einschließlich der notwendigen Unterführung zu errichten und dem Bezirk betriebsfertig zu übertragen. Dies geschah nicht. Stattdessen folgten jahrelange Querelen über Kosten und Fördermittel, die durch das Land Berlin sogar in Millionenhöhe bereitgestellt wurden.8 Zuletzt wurde seitens des Vorhabenträgers einfach nur erklärt, man werde die Straße nicht bauen. Klar, hätte ja auch Geld gekostet.
C. Die schwarze Propaganda des grünen Stadtrates Oltmann?
Warum überhaupt diese Neuauflage eines verkorksten Planungsvorhabens, des „7-29“? Ich persönlich kann nur rätseln, was den jetzt dafür zuständigen Stadtrat Jörn Oltmann (Grüne) antreibt, den Bebauungsplan „7-29“ mit den unter A dargestellten Änderungen erneut ins Verfahren zu bringen und damit die politische Verantwortung bei den Anwohnern und insgesamt für eines der irrsten Planungsprojekte des Bezirks aus den Zeiten der CDU/SPD Zählgemeinschaft zu übernehmen. Auf direkte Nachfragen hierzu weicht Oltmann aus oder produziert Falschmeldungen. Seine „Argumente“ sind dabei folgende:
1. EUREF/Müller baut die Torgauer Straße neu?
Meiner Meinung nach Humbug. Versprechen ohne Wert. Die Torgauer Straße muss ohnehin und schon seit Jahren neu gebaut und an die Kanalisation angeschlossen werden. Die Straße ist (nicht zuletzt durch den Baustellenverkehr) mit ihrem defekten Kopfsteinpflaster für Radfahrer kaum noch zu benutzen. Die Sanierung der Torgauer Straße ist schon lange in der Planung, finanziert und scheitert bisher daran, dass EURFE/Müller die notwendige Baufreiheit für die Tiefbauarbeiten und die damit verbundenen Störungen in der eigenen Straßenanbindung nicht hinnehmen will, dem Bezirk sogar Klage angedroht hat für den Fall, dass sein eigener Verkehr behindert wird.9
Es ist nichts dafür bekannt (und die bisherigen Erfahrungen sprechen dagegen), dass EUREF/Müller besser oder schneller Straße bauen kann als ein Auftragnehmer des Bezirksamts (siehe A.6). Stadtrat Oltmann behauptet fälschlicherweise zumindest bei internen Runden parteiöffentlich, es gebe „keine BPU“ (Bauplanungsunterlage) des Bezirks für die Torgauer Straße. Der Bezirksverordnete Bertram von Boxberg (Grüne), Vorsitzender des Kulturausschusses, schwadroniert dazu „die Straße lassen wir besser durch EUREF bauen“, was nicht nur gegenüber der dafür eigentlich zuständigen Stadträtin aus der eigenen Partei unsolidarisch, sondern auch nach der Faktenlage und den bisherigen Erfahrungen des Bezirks mit diesem Vorhabenträger naiv wirkt.
Im Übrigen müsste sich EUREF/Müller an den Kosten für die Verbesserung der Erschließung (Anschluss an die Kanalisation) ohnehin über die gesetzliche Erschließungsabgabe beteiligen.
2. Fußweg mit Brücke zum S-Bahnhof Schöneberg?
Euref/Müller baut einen öffentlich zugänglichen Fußweg auf Bahngelände unmittelbar neben zwei stark befahrenen Bahngleisen? Verbunden mit einer öffentlichen Widmung von Bahngelände? Wer solche vollmundigen Versprechungen glaubt, ist einfach nur leichtgläubig. Die Bahn lässt normalerweise keinen öffentlichen Verkehr auf ihren Bahnanlagen zu. Schon gar nicht mit einem Vorhabenträger, der noch nicht einmal bereit oder in der Lage war, einen Straßentunnel unter einer Bahntrasse zu bauen.
3. Reduzierung der Bruttofläche von 163.800 auf 135.000 m²?
Offensichtlich hat es schon damals niemand gemerkt und jetzt erst recht nicht: Auf dem 5 Hektar großen Gelände am Gasometer ist mit Ausnahme des Gasometers schon jetzt kein Platz mehr. Wir wissen nicht, wie man seinerzeit auf 163.800 m² kam. Es kann vermutet werden, dass hier Flächen „auf Vorrat“ und als Verhandlungsmasse in den ursprünglichen Bebauungsplan aufgenommen wurden, damit der Vorhabenträger dann im Verlauf des Verfahrens „großzügige“ Zugeständnisse machen kann.
Erkennbar und Tatsache ist, dass EUREF/Müller am liebsten zu Lasten der Nachbarschaft baut. Entlang der Ebersstraße, am Sachsendamm, an der Nordspitze – die großen Gebäudekörper werden wie die Mülltonnen auf anderen Grundstücken so weit als möglich an die Grundstücksgrenzen verlagert. Im Inneren des Geländes ist kein Platz mehr für große Gebäude oder fast 70.000 m² Geschossfläche; ich wüsste jedenfalls nicht, wo.
4. Finalisierung, 12 Jahre später, BlaBla
Wenn man Stadtrat Oltmann nach Gründen für die aktuelle Planung seiner Behörde fragt, wird es wolkig. Es gehe ihm darum, die obsolete Planung zu „finalisieren“ und im übrigen wolle er sich an seinen Aussagen als Fraktionsvorsitzender der Grünen in der BVV (und stadtentwicklungspolitischer Sprecher) von 2008 nicht mehr messen lassen – man sei „12 Jahre weiter“.
Finalisieren kann man den Bebauungsplan auch anders. Und „12 Jahre weiter“ hatten wir inzwischen eine Corona Pandemie, das Home-Office ist das Ding der Zukunft, der Flughafen Tegel wird geschlossen und zu einem der größten Gewerbestandorte Deutschlands entwickelt.
Dagegen sind die Schlagworte von Stadtrat Oltmann in meinen Augen Wortblasen ohne Substanz.
D. Alternativen?
Ich bin gefragt worden, welche Alternativen es gibt am Gasometer, was eine grüne Partei oder deren Politiker tun sollten. „Passiv-aggressiv“ war meine Antwort. Das würde bedeuten, nichts freiwillig zu tun, keine Verträge zu schließen (die vermutlich ohnehin gebrochen oder als Verhandlungsgrundlage für Nachverhandlungen genutzt werden) und glaubwürdig zu bleiben gegenüber früheren Aussagen. Oder ausführlicher:
1. Bauantrag – na und?
Der grüne Stadtrat Jörn Oltmann tut so, als sei sein Plan alternativlos. Das machen alle so, wenn Argumente fehlen. Wie unter A dargestellt enthält der ursprüngliche 7-29 eine genaue Festlegung hinsichtlich der Bebauung des Gasometers. Es gibt keinen Grund, daran nicht festzuhalten. Keinen.
Entweder leitet man für einen Bauantrag das zulässige Maß der baulichen Nutzung aus den alten Festsetzungen ab (die gibt es ja noch). Oder man macht einen neuen Plan, aber mit denselben Festsetzungen hinsichtlich des Gasometers. Was aber auch ein Armutszeugnis wäre. Jedoch die Chance bieten würde, dass Reinhard Müller (wie öffentlich angekündigt) dann von diesem Vorhaben insgesamt absieht. Die „Flächenreduzierung“ ist ohnehin kein Argument, sondern nur ein Verkäufertrick (siehe C.3).
2. „Finalisieren“ – ohne Planstraße
Natürlich kann man versuchen, auf die verfehlten Planungen von Rot/Schwarz aus 2008 den „Deckel drauf“ zu machen. Notwendig ist das aber nicht und grüne Politik kann sich damit nur die Finger schmutzig machen. Man muss die Planstraße jetzt nicht neu ausweisen. Das kann man auch tun, wenn man dort etwas anderes machen will. Und wenn man den räumlichen Geltungsbereich des verunglückten Bebauungsplans „7-29“ unbedingt neu ausweisen möchte (warum, ist weiterhin nicht klar), dann kann man den übrigen Bebauungsplan unverändert lassen. Soweit das die verkehrliche Erschließung hergibt.
Ich kenne das neue Verkehrsgutachten (welches eine Erschließung des Geländes nur über die Torgauer Straße zum Thema macht) nicht. Aber 163.800 m² dürften auf dem jetzt schon zugebauten Gelände ohnehin nicht drin sein. Es ist einfach kein Platz mehr. Und wenn, dann haben wir immer noch eine geprüfte und gültige Festsetzung für den Gasometer – nicht schön, aber 10 – 20 Meter niedriger.
E. Was will EUREF vermutlich wirklich?
Ich staune bei einem grünen Baustadtrat über solchen Mangel an politischer Haltung und Argumenten. Es wirkt geradezu naiv, was Jörn Oltmann da veranstalten will. Dabei ist es nicht schwer zu mutmaßen, wie es hier weitergehen soll:
1. Öffnung der Torgauer Straße in beiden Richtungen
Das vermutlich am schlechtesten erschlossene Kerngebiet Berlins oder Deutschlands ist am Gasometer. Eine kleine Straße, keine weiteren Erschließungen, das Ganze als „Gated Area“. Man möchte sich nicht vorstellen, was hier im Fall eines Brandes oder eine Katastrophe geschieht. Wenn die Torgauer Straße neu gebaut wird, müsste wohl schon bei einem einfachen Herzinfarkt am Gasometer der Rettungshubschrauber kommen – der Rettungswagen bleibt am Sachsendamm stecken. Das weiß natürlich auch Reinhard Müller.
Er wird deshalb versuchen, zunächst provisorisch während der Bauarbeiten, danach dauerhaft den mit Fahrradwegen und Spielflächen schön gestalteten Park zwischen Torgauer Straße und Cheruskerstraße für den Fahrzeugverkehr wieder zu öffnen und dauerhaft für seine eigene Erschließung zu missbrauchen. Entsprechende Vorstöße gab es (unter dem Deckmantel „autonomes Fahren“) mit Hilfe der SPD schon reichlich in den letzten Jahren.
2. Der Gasometer wird ausgebaut (und abgerissen)
Das Führungsgerüst des Gasometers ist total verrostet. Es muss saniert werden, was viel Geld kostet (die Schätzungen waren schon 2007 bei mehr als 2 Millionen Euro, heute dürfte es wesentlich mehr sein). Reinhard Müller und seine Firmen haben bei diesem Projekt meines Wissens noch nie Geld in solchen Größenordnungen ausgegeben, wenn es nicht unmittelbar für ein eigenes Bauprojekt war.
Es gibt meines Wissens in ganz Europa kein Projekt, wo ein Gasometer dieser Größenordnung komplett mit Büroflächen ausgebaut wurde. Es ist wahrscheinlich kaum möglich, das Baumaterial durch das Führungsgerüst in das Innere zu bekommen. Die technischen Anforderungen zur Verhinderung von Licht-Smog (automatische Verdunkelung der Außenhaut) sind futuristisch. Was nach meinem Eindruck vermutlich passieren wird, ist vielmehr Folgendes:
Der Bezirk stellt den von Jörn Oltmann gewünschten Bebauungsplan auf. Dabei wird „vergessen“, die dringend notwendige Erhaltung des Gasometers und dessen Instandsetzung in rechtsverbindlicher und durchsetzbarer Form zum Gegenstand des Bebauungsplans zum machen.
Danach beginnt EUREF/Müller mit dem Bau und stellt (wie bereits vor 13 Jahren) erheblichen Sanierungsbedarf fest. Was nicht überraschend ist, aber mit Sicherheit ist dieser Fall bis dahin weder vertraglich geregelt, noch kann man dem Eigentümer die Sanierung eines schwer beschädigten Industriedenkmals vorschreiben. Dann kommt der Abrissantrag für das Führungsgerüst des Gasometers wegen Unwirtschaftlichkeit. Das kann der Bezirk kaum ablehnen. Dann wird ein dem Gasometer entsprechendes Bürohochhaus an dessen Stelle gesetzt und das war es dann. Und danach werden vermutlich noch weitere Bauanträge für die östliche Grenze des Geländes kommen. Den Grünen sei Dank!?
1Der Vorhabenträger wird hier einheitlich als Euref/Müller bezeichnet, auch wenn im Einzelnen andere Firmen aus dem Firmengeflecht wirtschaftlich oder juristisch handeln
2https://bi-gasometer.de/themen/nordspitze/
3Artikel Lars Oberg auf http://berlin-magazin.info (heute nicht mehr abrufbar)
4https://bi-gasometer.de/themen/energie-universitaet/
5https://bi-gasometer.de/themen/leuchtwerbung/
6Siehe Fußnote 3 und zu den Fallstricken dieses Vertrages https://bi-gasometer.de/2008/07/02/werbung-nightscreen/
7https://bi-gasometer.de/2011/05/07/lack-ab-rost-ab/
8https://bi-gasometer.de/tag/planstrase/ mit einem Überblick zu den Entwicklungen zu Vertrag, Förderzusagen und Ausflüchten des Vorhabenträgers
9Mündliche Auskunft der für Tiefbau zuständigen Stadträtin Christiane Heiß (Grüne)
10Parteiinterne Online-Diskussion am 02.09.2020
Bericht der Stadträtin in der BVV vom 18.11.2020 ↩