Energie-Universität

Energie-Universität oder Luftnummer?

Das Versprechen, eine Energie-Universität auf dem ehemaligen Gasag-Gelände am Schöneberger Gasometer zu errichten, gehört zu den ältesten und am häufigsten in der Öffentlichkeit dargestellten „Projekte“ von Projektentwickler Reinhard Müller und wurde lange als Euref-Institut auf einer eigenen Webseite dargestellt. Mittlerweile werden diese Aktivitäten unter dem Label „TU-Campus“ in der Öffentlichkeit dargestellt. Bereits im Herbst 2007 ließ Müller unter anderem in der Welt über kommende Ereignisse berichten:

Auch eine Privatuniversität mit 500 Plätzen ist geplant. In einem Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt Energie soll hier nicht nur der Nachwuchs interdisziplinär ausgebildet, sondern auch hochkarätig geforscht werden. Als Organisationsform wäre eine Stiftung für die Hochschule denkbar.1

In der Öffentlichkeit wurde eine solche Privatuniversität stets als Zentrum einer auf Fragen der Energie bezogenen Nutzung des Geländes dargestellt. In der Diskussion um die für das Gelände angestrebte Aufwertung und Ausweisung als Kerngebiet wurde zudem argumentiert, das Kerngebiet sei für die Universität erforderlich; eine Hochschuleinrichtung dürfe (so das verschiedentlich gehörte Argument) in einem Gewerbegebiet nicht betrieben werden.

Allerdings: Es ist heute absehbar, dass diese Universität als „echte“ und eigene Privathochschule mit Lehrstühlen und Promotionsrecht niemals ihren Forschungs- und Lehrbetrieb aufnehmen wird. Statt dessen hat sich eine Kooperation mit der TU etabliert, die auf dem Gelände am Gasometer zwei Studiengänge anbietet und einige Veranstaltungen. Ob es sich dabei um mehr als eine einfache Kooperation zwischen der EUREF AG als Vermarkterin des Geländes und der TU oder sogar nur um eine aus Imagegründen breit dargestellte Vermietung von Tagungs- und Büroräumen handelt, ist von außen schwer feststellbar.

Umso interessanter ist die nun über mehr als vier Jahre laufende Entwicklung dieser „Energie-Universität“ von einer privaten Hochschule mit eigenem Stiftungskapital zu einer relativ bescheidenen Kooperation mit der TU Berlin.

Pulverdampf am Gasometer

Wir schreiben das Jahr 2008. Es lässt sich scheinbar zunächst gut an mit dem Projekt einer privaten Energie-Universität: Erfahrene Manager aus dem Umfeld der renommierten Hamburger Bucerius Law School werden gewonnen, ein Konzept für die Energie-Universität zu erstellen. Die Presse berichtet begeistert über die Ankündigungen von Projektentwickler Reinhard Müller. Ein „Global Energy“ Institut werde entstehen. Weniger als global darf es ja nicht werden am Schöneberger Gasometer.

Am 09.08.2008 allerdings berichtet die Berliner Morgenpost2 unter dem Titel „Berlin bekommt eine Energie-Universität“ darüber, dass zwar weiterhin Pläne für eine Forschungseinrichtung bestehen und

an einer privaten Universität künftig Energieexperten ausgebildet

werden sollen. Zugleich wird aber auch über Zwistigkeiten zwischen Reinhard Müller seinem damaligen Geschäftspartner Klaus Groth berichtet. Es sei fraglich, ob diese Einrichtung überhaupt auf dem Gelände am Gasometer angesiedelt werde.

Über die Hintergründe dieser öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen ist nur bekannt, dass es zwischen dem CDU-nahren Baulöwen Groth und dem ehrgeizigen Projektentwickler Müller zum Zerwürfnis kommt. Und dass prozessiert wurde zwischen den Beteiligten. Eine Journalistin der FAZ bekommt im Juni 2009, also etwa ein Jahr später, hierzu von Seiten der EUREF und ihrer Protagonisten nur noch wenige Informationen und berichtet unter dem Titel: „Gute Idee, schlechte Art“ unter anderem:

Heute wollen die Akteure über diese Episode nicht mehr reden. Die Geschäfte der Euref gGmbH führen nun Gerhard Hofmann und Lothar de Maizière, der ehemalige Ministerpräsident der DDR. Auf Nachfragen nach Einzelheiten aus der Vorgeschichte des Euref-Instituts reagieren sie unerwartet heftig.3

Auf diesen Artikel wiederum regieren die EUREF-Leute mit einem langen „Leserbrief“, den die FAZ im Nachgang zum Artikel in der Online-Ausgabe veröffenentlicht. Dr. Gerhard Hofmann, der zwischenzeitlich die Geschäfte der „Europäisches Energie-Institut Berlin gGmbH“ führt, beklagt:

Der Artikel bringt das verdienstvolle Anliegen des Europäischen Energie-Instituts zu Unrecht in schlechtes Licht. Denn das Vorhaben lebt von der Reputation. Diese verleiht die Kooperation mit FU, TU und HU Berlin, mit der Max-Planck-Gesellschaft, dem WZB und der SWP; dazu kommt ein 14köpfiger wissenschaftlicher Beirat aus vier europäischen Ländern. Die Instituts-Spitze ist eben beim Einwerben der Stiftungsgelder. Nicht nur dem fügt so ein Artikel ungerechterweise Schaden zu – auch dem Gesamtanliegen, einem Leuchtturmprojekt, das u.a. sowohl von der Bundeskanzlerin, als auch vom Außenminister, sowie dem Umwelt- und Verkehrsminister sehr gelobt wird.4

Auch hier: Viel Lob, große Namen, aber wenig vorweisbare Resultate.

Keine Zulassung

Nicht nur über die Stiftung, aus der sich die Privatuniversität ja finanzieren soll, hört man zu diesem Zeitpunkt nur noch wenig. Die selbst ernannten Macher am Gasometer haben offenbar auch die Schwierigkeiten und formalen Voraussetzungen einer Univeritätsgründung unterschätzt. Eine Uni machen darf nämlich nicht jeder. Man braucht eine Zulassung.

Wie eine kleine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus vom Sommer 2008 ergibt, liegt zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal ein Antrag auf Zulassung einer privaten Hochschule bei der zuständigen Senatsverwaltung vor. Man gibt vielmehr an:

Das Thema ist im Jahr 2007 in einem unverbindlichen Gespräch zur Sprache gekommen.5

Die Senatsverwaltung teilt weiter mit, man habe die EUREF aufgefordert, eine irreführende Darstellung in einem Organigramm auf deren Webseite zu ändern.

November 2008 – große Ankündigung

Am 5. November 2008 findet im Rathaus Schöneberg eine größere Veranstaltung statt. Die Gründung der Euref gGmbH soll gefeiert werden. Viele Besucher fahren in schwarzen Limousinen vor. Nunmehr hat sich die EUREF als wissenschaftlichen Partner das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) erwählt. Das WZB soll die notwendige Vorarbeit leisten, die Präsidentin des WZB Jutta Allmendinger spricht (neben zwei Bundesministern) auf der Veranstaltung.

Um deutliche Worte ist man auch hier nicht verlegen. So hieß es in der Pressemappe der EUREF anlässlich der feierlichen Gründung des Euref-Institus am 05.11.2008 im Rathaus Schöneberg unter der Überschrift „Euref – Campus des Wissens“ noch (Seite 3)

Wichtiges Kernstück des Europäischen Energieforums ist die Errichtung des Euref-Instituts als private Hochschule. Die … Disziplinen sollen … zusammengebracht, interdisziplinäre Forschung betrieben und Lehre angeboten werden.6

Keine Frage: Weiterhin ist eine private Hochschule (Universität mit Promotionsrecht) geplant und soll durch eine neu gegründete EUREF gGmbH in’s Leben gerufen werden.

Skepsis bei den Wissenschaftsfachleuten

Bereits im Januar 2009 nehmen die mit der wissenschaftlichen Begleitung des Universitäts-Konzepts beauftragten Wissenschaftler des WZB Kontakt zur BI-Gasometer auf. Es kommt zu einem Gespräch auch mit Aktiven der BI-Gasometer in den Räumen des WZB. Die Vertreter des WZB reden Klartext und meinen ganz offen, die inhaltlichen und materiellen Voraussetzungen für eine private Hochschule (das ist eine staatlich zugelassene Universität mit Promotionsrecht) lägen aus ihrer Sicht derzeit nicht vor, es komme allenfalls ein privates Institut, also eine freie Forschungseinrichtung in Betracht.  Das WZB sei mit der Erstellung einer Art „Machbarkeitsstudie“ beauftragt. Ein Abschlussbericht sei für März zu erwarten.

Dieser Abschlussbericht kommt auch, aber erstmals im Herbst 2009.7

Am 18.03.2009 vermeldet das Euref-Institut auf seiner Webseite, man habe den „Lehrgangsbetrieb aufgenommen“ – von einer Universität ist schon jetzt nicht mehr die Rede. Die Aktien des Solarzellenherstellers Q-Cells, der den Workshop am 18.03.2009 bestreitet, befinden sich im Februar 2010 auf Rekordtief, wie einer Meldung von Reuters zu entnehmen ist.

In einem Tagesspiegel-Artikel vom 01.07.2009 wird hierzu berichtet:

Zweifel an dem Vorhaben werden vielleicht dadurch genährt, dass es bisher viel Polit-Prominenz, aber wenig Wissenschaft zu feiern gab. Die Geschäfte des neuen Instituts führen nicht namhafte Umweltforscher, sondern der 69-jährige frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière und der ehemalige RTL-Korrespondent Gerhard Hofmann. Einen „Workshop“ mit dem Solarzellen-Hersteller Q-Cells feierte der Bauherr im Internet als „Start der unabhängigen privaten Hochschule“. Doch ein Institut, Lehrkörper, Studenten und Studienprogramm – das alles gibt es bisher nur in der Theorie. In der Praxis klingelt das Telefon, wenn man die Euref anwählt, bei einem Bauträger in der Kurfürstenstraße. Dort sitzt Ex-RTL-Mann Hofmann und sagt, jetzt gehe es erst einmal um die Beschaffung des Budgets: „Mit großer Sicherheit werden wir über zwei Millionen Euro bis Ende 2011 verfügen können“ – bisher sei Geld für dieses Jahr da.8

Frühe Bedenken

Bereits im Frühjahr 2009, nach einem der BI-Gasometer vorliegenden Protokoll am 24.03.2009, hatten das WZB und die EUREF mit Projektentwickler Reinhard Müller die Situation besprochen. Das WZB legt nochmals seinen schon gegenüber der BI geäußerten Standpunkt dar, wonach

… aus Sicht des WZB-Teams derzeit keine ausreichenden Realisierungschancen für den ursprünglichen, von der ZEIT-Stiftung vorgeschlagenen „großen Wurf“ einer Energie-Universität bestehen.9

Zurückgerudert

Zwischenzeitlich rückt der Termin für die Beschlussfassung über den umstrittenen Bebauungsplan 7-29 näher. Die Abstimmung darüber soll am 15.07.2009 in der BVV Tempelhof-Schöneberg stattfinden.

In die Öffentlichkeit dringt von den Bedenken der wissenschaftlichen Berater zunächst nichts.  Am 02.07.2009, kurz vor der am 15.07.2009 geplanten entscheidenden Abstimmung der Bezirksverordneten über den Bebauungsplan 7-29,  werden Vertreter aller BVV-Fraktionen auf das Gasag-Gelände eingeladen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen ist an der Teilnahme aus privaten Gründen verhindert. Jedoch sind andere Fraktionsvertreter anwesend. Hier wird über die Startschwierigkeiten der stiftungsgetragenen Privathochschule berichtet. Darüber erfahren die Anwohner und scheinbar auch viele Bezirksverordnete nichts. Nur gegen ein kritisches Flugblatt der Bürgerinititative lassen die Männer von EUREF rechtliche Schritte einleiten. Mit gemischtem Erfolg. Das Landgericht Berlin bestätigt in seiner Entscheidung zwar den Standpunkt der EUREF, durch die Veranstaltung vom 02.07.2009 seien die Bezirksvertreter infomiert worden. Jedoch teilt das Landgericht die in unserem Flublatt vertretene Ansicht, die Öffentlichkeit und Anwohner seien über die (höflich ausgedrückt) Schwierigkeiten der Privatuniversität vor der Abstimmung über den Bebauungsplan nicht informiert worden.

Zuletzt, im Dezember 2009, wird auf der Internetpräsenz der Euref der Projektbericht des WZB veröffentlicht, dessen Eckpunkte vermutlich bereits im März 2009 festgelegt worden waren. Hier ist nur noch die Rede von einer „Euref-Akademie“, die sich

in enger Kooperation mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Fort- und Weiterbildung sowie in der Postgraduiertenausbildung engagieren

wird. Zu dem für eine Universität letztlich entscheidenden Promotionsrecht heißt es jetzt nur noch:

Das Promotionsrecht verbleibt bei den Partner-Universitäten, die an der Konzeption mitwirken. Bei hinreichender Nachfrage soll überprüft werden, inwieweit das Angebot erweitert und ein praxisorientierter Master-Studiengang eingeführt werden kann.

Zur heiklen Frage der Finanzierung (immerhin hatte Professor Dr. Andreas Knie als Projektbeteiligter am 27.10.2009 noch erklärt, für eine stiftungsgetragene Universität seien finanzielle Mittel von mehr als 200 Millionen EUR erforderlich)10 verhält sich der Abschlussbericht des WZB eher allgemein. Es heißt dort unter Ziffer 5:

Als Startkapital für die Stiftung ist zunächst ein symbolischer Betrag ausreichend, der aber kontinuierlich aufwachsen soll. Angestrebt ist in absehbarer Zeit ein Stiftungskapital von zunächst 20 Millionen Euro, um hinreichende Erlöse für die Arbeit der GmbH zu erhalten. Langfristig wird ein Stiftungskapital in der Größenordnung von 200 Millionen Euro angestrebt. Nur eine entsprechend große Vermögensmasse  gewährleistet eine dauerhaft unabhängige Arbeit.

Langsame Schrumpfung

Danach beginnt (so jedenfalls unser Eindruck), die langsame Schrumpfung des großspurigen Projekts. Nachdem einige Veranstaltungen, Seminare und Vorträge auf dem Gelände veranstaltet wurden (was übrigens in jedem größeren Tagungshotel dieser Stadt wöchentlich passiert) beginnt EUREF eine Kooperation mit der TU Berlin. Die EUREF gGmbH wird umbenannt in TU-Campus EUREF gGmbH und im Sommer 2011 heißt es in einer Publikation der EUREF:

In der Sitzung vom 6. Juli 2011 des Akademischen Senats wurde beschlossen, die Einrichtung der TU-Campus EUREF gGmbH als rechtlich eigenständige Forschungseinrichtung mit Angliederung an die TU Berlin (An-Institut) zu führen. Der Einrichtung der beiden Studiengänge „Energieeffizientes Bauen und Betreiben von Gebäuden“ und „Energieeffiziente urbane Verkehrssysteme“ wurde zugestimmt. Der TU-Campus EUREF wird ab dem Sommersemster 2012 Masterstudiengänge zum Thema „Stadt und Energie“ auf dem EUREF-Campus anbieten.

Und jetzt, mit Stand vom Sommer 2012, wird daraus ein „EUREF-Campus“ und ein an die TU Berlin angegliedertes Institut. Auf eine Anfrage im März 2012 nach den neuen Studiengängen teilt das für Weiterbildende Masterstudiengänge „TU-Campus EUREF“ zuständige Sekretariat der TU Berlin dem Anfragenden vom Büro der TU aus der Fasanenstraße 89 mit, die Studienbeiträge würden sich auf 5.000 Euro je Semester belaufen. Und weiter:

Die weiterbildenden Masterstudiengänge der TU Berlin zum Thema „Stadt und Energie“ sind neu eingerichtet. Die Unterrichtsräume auf dem EUREF-Campus am Gasometer Schöneberg werden zum 1. April 2012 fertiggestellt.11

Ob es an den erst jetzt jedenfalls im Rohbau (nach einem Richtfest folgt normalerweise der Innenausbau) fertigen Räumen am Gasometer liegt oder an fehlenden Bewerbungen für die Studienangebote: Nach der aktuellen Veröffentlichung der Campus-Camper am Gasometer nimmt man den Lehrbetrieb nunmehr „zum Wintersemester 2012/2013“ auf. Wir dürfen gespannt sein.

Ob diese Aktivitäten über die Werbung für ein extrem stark bebautes Gewerbegebiet hinaus von irgendwelcher Relevanz sind, müssen die Studieninteressenten und Fachleute entscheiden. Jedenfalls war es ein langer Weg von den großspurigen Ankündigungen einer stiftungsgetragenen Privathochschule im November 2008 bis zu den heutigen Aktivitäten. Und die Seriosität solcher Darstellungen und Öffentlichkeitsarbeit mag auch jede/r für sich selbst beurteilen.

Berlin, den 14.06.2012; Alexander Ziemann


  1. Artikel Die Welt vom 16.11.2007, Verfasserin: Brigitte Schmiemann 

  2. Berliner Morgenpost, Autor: Joachim Farhun 

  3. Artikel FAZ vom 27.06.2009 

  4. Leserbrief zum Artikel der FAZ 

  5. Kleine Anfrage Nrka16-12302 

  6. Broschüre/Pressemappe EUREF vom November 2008, Seite 3 

  7. Abstimmungsgespräch BI-Gasometer mit Vertretern des WZB im Januar 2009; ein Gesprächsprotokoll wurde zwar zugesagt, später jedoch durch das WZB nicht mehr erstellt 

  8. Artikel „Das ist ein Blankoscheck“ von Ralf Schönball, Tagesspiegel vom 01.07.2009 

  9. Besprechungsprotokoll vom 24.03.2009, Teilnehmer diverse Vertreter von WZB und EUREF, nicht veröffentlicht 

  10. in einem Interview für die „Abendschau“ des RBB 

  11. Email Dr. Anja Günther, TU vom 05.03.2012 um 20:27 Uhr