Das Torgauer Problem
Jeder Schöneberger rund um den Gasometer weiß, in welch grauenhaftem Zustand die Torgauer Straße von der Cheruskerstraße bis zur Dominicusstraße ist. Und auf unserem Bild ist die Straße noch nicht einmal zugeparkt und mit Auto-Transportern zugestellt. Diese Straße soll ein Kerngebiet und ein neues Bürohochhaus mit mehr als 40.000 m² Bürofläche versorgen? Wohl kaum.
Wie wir in unserer Stellungnahme von heute zu diesem Thema beschreiben, wurde hier nicht nur gepfuscht, indem der aktuelle Zustand der Torgauer Straße in den Verkehrsgutachten des Bezirksamts überhaupt nicht erwähnt wurde. Es wurde auch vernachlässigt, dass die Torgauer Straße nicht zur Aufnahme großer Verkehrsmengen geeignet ist. Offenbar hat das um Eile bemühte Bezirksamt noch nicht einmal das Tiefbauamt eingeschaltet oder um eine Stellungnahme gebeten. In unserer Stellungnahme heißt es:
In der Bezirksamtsvorlage vom 09.02.2011 zur Abstimmung über
- den überarbeiteten Bebauungsplan-Entwurf 7-29 nach der Beanstandung durch die Rechtsprüfung des Senats und
- die Planreife für einen Hochhaus-Neubau auf dem Gasometer-Gelände an der Torgauer Str. 12-15 mit zusätzlichen 14.718,61 qm Geschoßfläche
wird zum Nachweis dafür, daß Absatz 4 von § 33 BauGB erfüllt sei, ein Verkehrsgutachten angeführt (vom November 2009 mit Vertiefung November 2010).
§ 33 Abs. 4 BauGB besagt, dass Planreife-Bauvorhaben nur zulässig sind, wenn die Zuwegung (Erschließung) gesichert ist.
In dem Verkehrsgutachten 2009/2010 wird der Ausbauzustand der Torgauer Straße nicht behandelt. Auch in dem Verkehrsgutachten vom September 2008 (zum Bebauungsplan 7-29) ist dies unterblieben. Eine Betrachtung der Torgauer Straße war allerdings damals auch entbehrlich, da die Planung vorsah, daß vor einer baulichen Entwicklung auf dem Gasometer-Gelände die Planstraße A ausgebaut ist und die Torgauer Straße als Zuwegung entfällt.
Die verkehrlichen Betrachtungen im Verkehrsgutachten 2009/2010 beschränken sich auf die Leistungsfähigkeit der umgebenden Verkehrsknotenpunkte, obwohl es nunmehr darum geht, die Torgauer Straße als Erschließungsstraße für bauliche Entwicklungen auf dem Gasometer-Gelände vor Fertigstellung der Planstraße A zuzulassen, und dies für eine Bruttogeschoßflächenzahl von insgesamt 46.400 qm.
Das Verkehrsgutachten 2009/2010 ist nicht geeignet, als Beleg für eine geordnete verkehrliche Abwicklung über die Torgauer Straße im Zuge einer baulichen Entwicklung auf dem Gasometer-Gelände zu dienen. Es gibt keine qualifizierte Einschätzung bezüglich der zu erwartenden Verkehrsmengen im Kontext des desolaten und mit aktuellen Normen unvereinbaren Ausbauzustandes der Torgauer Straße (Mindestgehwegbreiten, behindertengerechte Auffahrten etc.). Eine Stellungnahme des Tiefbauamts ist offenbar ebenfalls nicht eingeholt worden, möglicherweise ist dieses über die in der Beschlußvorlage enthaltenen Vorhaben nicht einmal informiert worden.
Der bauliche Zustand der Torgauer Straße ist als desolat zu bezeichnen. Der Straßenbelag (Großsteinpflaster, Granit) stammt aus der gründerzeitlichen Entwicklung des Gasanstaltgeländes und hat seitdem keine Instandsetzung mehr erfahren.
Die engste Stelle des nördlichen Fußweges (weniger als 1 m Breite) befindet sich genau in dem Bereich, der nun zusätzlichen Kraftfahrzeugverkehr aufnehmen soll, nämlich zwischen der Einfahrt ins ehemalige Gasag-Gelände und dem Sachsendamm. Gem. Verkehrsgutachten 2009/2010 muß mit über 500 zusätzlichen Fahrzeugbewegungen am Tag gerechnet werden, wenn die in der Beschlussvorlage dargelegten Bauvorhaben genehmigt werden. Der Bürgersteig auf der Nordseite lässt den Begegnungsfall Fußgänger/Fußgänger nicht zu, ohne dass ein Passant auf die Fahrbahn ausweichen muss. Auf dem gegenüberliegenden südlichen Fußweg ist die Bewegungsfreiheit durch Poller so eingeschränkt, dass dieser insgesamt kaum passierbar ist.
Festzuhalten ist, daß Fuß- und (aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit der Fahrbahn) teilweise auch Radverkehr hier aktuell auf weniger als 100 cm Breite abgewickelt werden muß, was im Alltag nur funktioniert, wenn Fußgänger die Fahrbahn benutzen.
Der Bordstein ist zudem häufig 20 cm erhaben über die Fahrbahn, so dass Ausweichbewegungen eine erhebliche zusätzliche Verletzungsgefahr mit sich bringen. Aufgrund der teilweise 10 cm tiefen Spurrinnen in der Fahrbahn ist auch keine ordentliche Niederschlagswasserabführung gewährleistet; witterungsabhängig bilden sich in Teilabschnitten große und tiefe Wasserlachen, die Fußgänger zu einem Spießrutenlauf zwingen.
Daraus folgt: Wenn hier nun in erheblichem Umfang zusätzlicher Kraftfahrzeugverkehr abgewickelt werden soll, so ist dies gegenüber allen Nutzern dieses Straßenabschnitts unverantwortlich. Zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht und zur Abwehr von Gefahren für den nach bisherigen Planungen hier zu fördernden Fußgänger- und Radfahrerverkehr ist es zwingend erforderlich, für jede bauliche Entwicklung auf dem Gasometer-Gelände einen entsprechenden DIN-gerechten Ausbau der Torgauer Straße in diesem Teilabschnitt aufzuerlegen.
Umgekehrt gilt: Eine bauliche Entwicklung auf dem ehemaligen Gasag-Gelände ist ohne Sanierung der Torgauer Straße nicht zulässig.
Eines wäre jedenfalls kein Problem: Autoschrauber gibt es in diesem Teil der Torgauer Straße genug. Wenigstens die Reparatur von Fahrzeugen, die beim Passieren der Torgauer Straße zum multinationalen Kerngebiet Achsbruch oder Stoßdämpferschäden erlitten haben, kann sofort und vor Ort erfolgen: