Denkmalpflege durch Verhüllung
Was Sie hier sehen, ist keine EUREF-Litfasssäule, sondern ein Denkmal. Das so genannte Schleusenhaus steht zusammen mit dem Schöneberger Gasometer auf der Denkmalliste und ist daher nach dem Denkmalschutzgesetz Berlin geschützt. Es darf nach § 11 des Gesetzes nicht ohne Genehmigung der zuständigen Behörde in seinem Erscheinungsbild verändert, werden.1
Die Veränderung an diesem Denkmal ist offensichtlich. Besser gesagt, das Denkmal ist verhüllt, und zwar fast vollständig bis auf das Dach. Eine umfassendere Verschandelung eines Denkmals ließe sich wohl nur durch einen kompletten Abriss erreichen. In jedem Fall ist eine solche Veränderung genehmigungspflichtig.
Auf die Anfrage eines engagierten Bürgers teilt das Bezirksamt hierzu mit, die werbende Verhüllung sei bekannt, jedoch genehmigt. Fragt sich nur, auf welcher Rechtsgrundlage. Hierzu das Bezirksamt:
Zunächst muss ich Ihre Ausführung, die Genehmigungsfähigkeit von Werbeanlagen an Baudenkmalen erfordere zwingend das Vorliegen eines öffentlichen Interesse, richtig stellen.
Es trifft zwar zu, dass § 11 Abs. 3 der Berliner Denkmalschutzgesetzes (DSchG BIn) in der seit dem 23.7.2010 geltenden Fassung klarstellt, dass einer Genehmigung von Werbeanlagen entgegenstehende Gründe nicht anzunehmen sind, wenn die Werbeanlage höchstens 6 Monate angebracht wird und der Werbeinhalt vorrangig im öffentlichen Interesse liegende Ziele verfolgt. Diese Vorschrift ist jedoch nicht dahingehend aufzufassen, dass nur in solchen Konstellationen eine entsprechende Genehmigung erteilt werden darf. Vielmehr bleibt es bei der vorrangigen Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 2. Hier sind die Genehmigungsvoraussetzung alternativ aufgeführt (‚, … ist zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegen stehen oder ein öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt)“.
Die erste Alternative traf hier zu. In Würdigung der gesamten Situation, der Architektur und des Zustandes des Schleusenhauses sowie des Anbringungsortes, der Art der Anbringung und der Ausgestaltung der Werbeanlage wurde festgestellt, dass weder das Schleusenhaus selbst noch die denkmalgeschützte Gesamtanlage insgesamt in ihrem Denkmalwert beeinträchtigt werden; die Genehmigung war somit zu erteilen.
Für die weniger juristisch geschulten Leserinnen und Leser: Das Bezirksamt mit seinem willfährigen Bezirksstadtrat Bernd Krömer (CDU) meint, es sei überhaupt kein Problem, ein Baudenkmal, das Bestandteil eines Ensembledenkmals „Gasometer Schöneberg“ ist, hinter Werbeplanen zu verstecken selbst dann, wenn dies nicht im öffentlichen Interesse liegt (zum Beispiel, weil aus Werbeeinnahmen Denkmalsanierung finanziert wird, wie das bereits beim Leuchtwerbungsvertrag nicht funktioniert hatte).
Mit dieser „Begründung“ könnte die Behörde jede, aber auch wirklich jede Verschandelung, Verhüllung oder sogar den Abriss eines Denkmals genehmigen – in meinen Augen ein schlimmer Fall von Rechtsbeugung im Amt.
Immerhin hat nicht die untere Denkmalbehörde zu entscheiden, ob ein Denkmal wie das Schleusenhaus wichtig oder wesentlich für das Erscheinungsbild des Ensembledenkmals insgesamt ist. Das hat nämlich bereits das Landesdenkmalamt getan, als es das Gebäude auf die Denkmalliste setzte. Ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen im Bezirksamt überhaupt nicht wissen, welche Bedeutung dieser kleine runde Bau hat, der etwa 4 Meter unter die Erde geht und im Urzustand so aussieht:
Im Schleusenhaus befinden sich die riesigen Ventile und Rohre, mit denen in der aktiven Zeit des Gaswerks das aus Koks erzeugte Stadtgas von unten in den Gasometer gepumpt wurde. Es ist sozusagen der Zugang (eben die Schleuse) zu dem dahinter stehenden großen Gasbehälter IV. Das geschützte Ensembledenkmal „Gaswerk Schöneberg“ ist völlig sinnlos ohne das Schleusenhaus. Denn gesetzliches Ziel des Denkmalschutzes im Fall von Industriedenkmalen ist es, die historische Industrieanlage in ihrer Gesamtheit erlebbar zu machen. 2
Denkmal egal ist dagegen die Devise des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg.
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 DenkmalschG Berlin ↩
weiterführend: Darstellung der Industriedenkmal-Stiftung ↩
Anzufügen wäre, dass Stadtrat Krömer in der Sitzung der BVV vom 13.4.2011 auf Anfrage erklärt hat, dass die Genehmigung für die Werbeplane am Schleusenhaus am 23.2.11 erteilt wurde und keine Befristung enthält. Es handelt sich also um eine nachträgliche Erlaubnis, da die Plane bereits Anfang des Jahres auftauchte. Dass eine komplette Verhüllung eines Baus in einem Denkmalensemble ohne irgendeine Befristung ausgesprochen wurde, ist erstaunlich.
Geworben wird hier im Namen der TU. Wie der Presse zu entnehmen war, ist die Technische Universität, die hier Master-Studiengänge einrichten will, nicht vor Sommer 2012 auf dem Gelände aktiv. Laut Berichten handelt es sich um zweijährige Aufbaustudiengänge, für die pro Semester 5.000 Euro zu zahlen sind. Offensichtlich ist für diese Zwecke das Kessel- und Maschinenhaus des alten Gaswerks Schöneberg vorgesehen. Bleibt zu hoffen, dass der ursprünglich von Alfred Messel entworfene Bau nicht so sehr entstellt wird wie das kleine Schleusenhaus.