Wahlprogramme am Gasometer Schöneberg
Im Wahlkampf werden bekanntermaßen gern Phrasen gedroschen. An erster Stelle in den Wahlprogrammen. Welche verschlüsselten Botschaften könnten sich dennoch hinter den Worthülsen verbergen? So eindeutig und kämpferisch wie im Flyer der Grünen im Oktober 2008 (nebenstehendes Bild) ist es heute nicht mehr.
Nehmen wir also mal die Programme hier aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg zur Hand, um nachzulesen, was die Parteien zum Thema Entwicklung auf dem alten Gaswerksgelände in Schöneberg eingefallen ist. Immerhin ein heißes Thema kommunaler Bauplanung der jetzt ablaufenden Wahlperiode.
Bei CDU und SPD hatte man sich ja überschlagen, das Projekt „EUREF“ in den höchsten Tönen zu loben. Diese „große Koalition“ funktionierte prima. Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) nennt die Planungen bis heute ein „Leuchtturmprojekt“ für den Bezirk. Der scheidende Bezirksbürgermeister Ekkehard Band (SPD) wurde nie müde, das Megabauprojekt als Zierde des Bezirks in Szene zu setzen.
SPD
Seine Partei scheint sich dem nicht mehr so ganz anschließen zu wollen. Jedenfalls heißt es im Wahlprogramm der SPD Tempelhof-Schöneberg relativ zurückhaltend gegenüber früheren Lobhudeleien:
Von der Entwicklung des Geländes am Gasometer zu einem Dienstleistungs- und Forschungsstandort erwarten wir weitere Impulse für den Bezirk.
Ernüchterung scheint eingetreten. Weise – der Name „EUREF“ wird nicht mal mehr erwähnt. Das Projekt ist offenbar für die lokale SPD nicht mehr von großer Relevanz. Warum sie aber dann weiter an „Impulse“ glaubt will, ist wohl damit zu erklären, dass man Gesicht wahren möchte. Bekanntlich irren oder irrten Parteien und Politiker sich nie.
Welche Dienstleistungen auf dem Gelände angesiedelt sein sollen außer solche von schon lange ansässigen Firmen wie der Begatec und derzeit von einem temporären Veranstaltungszelt, ist etwas schleierhaft. Nennenswerte Forschung jedenfalls findet dort -soweit bisher erkennbar- nicht statt. Lediglich ein auf dem Gelände mit Büroräumen ansässiges Institut, das von den Staatssubventionen in Sachen Elektromobilität profitiert, ist hinlänglich bekannt. Nächstes Jahr wird ein Masterstudiengang der TU eröffnet. Aber auch das wird wohl unter Lehre und nicht unter Forschung zu verbuchen sein. Hat die SPD vergessen, dass hier eine eigene nagelneue Energie-Universität versprochen war?
CDU
Unerschütterlich in ihrem Glauben zeigt sich dagegen die CDU. Sie spricht von dem
„in Realisierung befindlichen europäischen Energieforum (EUREF) im alten Gasometer“.
Liebe Wähler, im alten Gasometer befindet sich ein Veranstaltungszelt, das gerade zum Fernsehstudio ausgebaut wird und sonst nichts. Dort gibt es bisher kein „europäisches Energieforum“. Wenn das alte Gaswerksgelände gemeint sein sollte, auch dort gibt es nichts, was auf ein Energieforum schließen lässt, außer dass eine Immobilienfirma mit dem Namen EUREF AG die Vermarktung übernommen hat.
All diese Fakten müssten der Partei allerdings gut bekannt sein, denn sie hat ihren Landesparteitag (inklusiver Besuch der Kanzlerin) „im alten Gasometer“ am 12.2.2011 abgehalten. Wir gehen jetzt mal davon aus, dass der volle Mietpreis entrichtet wurde, es hätte zum guten politischen Ton gehört, hier transparenter zu agieren. Vor allem deshalb, weil Bernd Krömer auch Generalsekretär der Landespartei ist.
Noch abenteuerlicher wird es im CDU-Wahlprogramm in folgendem Absatz in Bezug auf die städtebauliche Entwicklung:
Der neue Cheruskerpark sowie die mit EUREF verbundene Verbesserung der Einzelhandelsstruktur im Gebiet der Schöneberger Insel werden diesen Prozess zusätzlich befördern.
Welche Auswirkungen auf den Einzelhandel? Das Gebiet, auf dem die EUREF AG tätig ist, ist mit Maschendrahtzaun umgeben. Soll dort Einzelhandel sein? Oder sollen wir ihn auf der Insel suchen? Fündig wird man jedenfalls in puncto neue Geschäfte nur in oder an den Bahnhöfen Südkreuz und Julius-Leber-Brücke. Und das hat andere Gründe.
Grüne
So bleiben noch die Grünen als letzte größere Fraktion in der BVV. Rückblickend ist ihnen das Projekt im alten Gaswerk im Wahlprogramm einen Seitenhieb auf die
„verfehlte Stadtplanung von Rot-Schwarz“
wert. Bei zukünftigen städtebaulichen Planungen soll Bürgerbeteiligung wieder ernst genommen werden. Mit Planungswerkstätten hoffen die Grünen, dieses Ziel zu erreichen. Konkret kommen die Schöneberger Insel und die Schöneberger Linse im Wahlprogramm aber so gut wie nicht vor. Auch hier scheinen Ideenlosigkeit und Ratlosigkeit vorzuherrschen. Thema abgehakt?
Die Wahlprogramme:
- SPD Tempelhof-Schöneberg (der Link unten auf der Seite)
- CDU Tempelhof-Schöneberg (der Link rechts unten auf der Seite)
- Grüne Tempelhof-Schöneberg