Werbung, Filz und „Nightscreen“
Wenn Autofahrer Richtung Schöneberg künftig von der Straße abkommen und mit 90 km/h gegen die Betonbrüstungen der Abfahrt Sachsendamm prallen, ist vielleicht die Werbung schuld daran. Die heißt jetzt „Nightscreen“, wird von der Firma Ströer vermarktet, sieht nur auf dem Promotion-Video gut aus und wurde ermöglicht durch einen nach meiner Meinung windelweichen Vertrag des Bezirksstadtrates Krömer mit dem Projektentwickler. Dessen Kernpunkte sind:
- 5 Jahre lang sind 660 qm LED-Werbung nachts erlaubt
- der Bezirk bekommt dafür kein Geld
- es gibt praktisch keine Widerrufsmöglichkeit
- der Projektentwickler darf alle Einnahmen behalten,
- sollte diese aber nach Abzug der Kosten für die nicht näher kalkulierte „Sanierung“ des Gasometers Schöneberg oder aber beliebiger anderer denkmalgeschützter Bauten auf dem Gelände verwenden
- ob der Projektentwickler/Eigentümer dieser Verpflichtung nachkommt, kontrolliert ein Syndicus des Bezirksamts durch Einsichtnahme in die Buchführungsunterlagen des Projektentwicklers
- wenn die Einnahmen nicht vertragsgemäß verwendet werden, ist das (nach meiner Einschätzung) folgenlos
Was dabei nicht bedacht wurde:
- in der Außenwerbung sind Koppelungsgeschäfte üblich („gibst Du mir nur 10.000 EUR/Monat am Gasometer und die restlichen 50.000 EUR/Monat verbuchen wir auf die Tochterfirma“) – keiner und niemand kann DAS kontrollieren
- selbst wenn alle Einnahmen ordnungsgemäß und transparent abgerechnet werden, kann auf der Kostenseite für Wirtschaftlichkeit gesorgt werden („für den Gasometer hätte ich gern eine besonders hohe Rechnung – auf das Bauprojekt Media-Gurk bieten Sie mir bitte minus 35 %“)
- und wenn all das nicht hilft, besteht immer noch die Möglichkeit, einen „kickback“ zu vereinbaren: „Ich gebe viel Geld aus auf dem Gasometer-Gelände und meine Tochtergesellschaft Euro-Salat bekommt monatlich 20.000 EUR zurück für Beratungsleistungen“
- und wenn auch das nicht hilft, vereinbart man einfach die Fälligkeit der Werbeeinnahmen auf einen späteren Termin „Bezahlung 50 % bei Auftragserteilung, den Rest in 6 Jahren“
Alle diese Möglichkeiten hat der geschickte Kaufmann und niemand (wirklich: NIEMAND) kann das durch Einsichtnahme in die Buchführungsbelege feststellen. Ganz einfach und ganz naiv, wenn ein Bezirksamt solche Verträge schließt. Interessant ist auch, wie dieser Vertrag zustande kam. Davon später…
Das gabs ja schon mehrmals.
Schaut mal hier auf der Seite 139 Randnummer 210:
http://www.berlin.de/imperia/md/content/rechnungshof2/jahresbericht_2008.pdf
Dahinter stecken übrigens die gleichen Köpfe!
Und es gibt doch jemanden den das interessiert…..
Wenn wir uns die Umstände dieses Vertrages und seine Auswirkungen vor Augen halten, sind die wenigen Fakten im Artikel des Tagesspiegel nicht mehr interessant, sondern erscheinen wie die Presseerklärung eines wichtigen Anzeigenkunden.
Lesenswerter sind da die Kommentare: Fachlich fundierte Ablehnung so einer filzösen Genehmigungspraktik und zu Recht wie bei Rosenwichtel immer wieder der Hinweis darauf, dass Herr Müller mit „DenkMalPlus“ laut Jahresbericht des Landesrechnungshofs nicht nur am Brandenburger Tor, sondern auch am Charlottenburger Tor mit windigen Verträgen die Bezirke übervorteilt.