Schöneberger Gasometer als „Megaposter“ Werbefläche missbraucht
Ab August 2008 soll auf dem denkmalgeschützten Gasometer Schöneberg ein 660 qm großes „Megaposter“ aus LED-Zellen Werbung in die Umgebung ausstrahlen. Der Betreiber dieser Großflächenwerbung bietet die Fläche zur Nutzung ab Herbst 2008 an.
Hinter dem Projekt steht eine im Bereich der Außenwerbung tätige Werbeagentur Ströer, welche in der Vergangenheit eng mit dem Projektentwickler Reinhard Müller zusammen gearbeitet und zum Beispiel die langwierige Verhüllung des Brandenburger Tors vermarktet hat. In Zusammenarbeit mit einer „Stiftung Lebendige Stadt“ wird als „Türenöffner“ der ehemalige Bausenator Peter Strieder (SPD) eingebunden. Dieser ist seit seinem Rückzug von allen politischen Ämtern „Politikberater“ und präsentiert im Internet Toilettenhäuschen und Großwerbung, um die besondere kulturelle Bedeutung von Außenwerbung für eine moderne Großstadt zu verdeutlichen.
Verlässliche Informationen über die Preise der geplanten Großflächenwerbung liegen der BI-Gasometer nicht vor; die Kalkulation derartiger Großmedien (Branchenjargon „Blow-Up“) erfolgt individuell und erzielt Preise von 10.000 bis 120.000 € für jeweils 28 Tage (Preisangaben nach Präsentation der Firma Ströer). Es kann daher erwartet werden, dass der Projektentwickler und die Werbeagentur allein im Zeitraum von August bis Dezember 2008 etwa 50.000 bis 600.000 EUR aus einer solchen Vermarktung des Gasometers erzielen werden. In der Vergangenheit waren die Vorstöße der Werbewirtschaft Richtung Gasometer regelmäßig nur von kurzer Dauer.
Die von Herrn Müller anlässlich seiner Projektvorstellung versprochene Sanierung des Gasometers ist bis heute nicht erfolgt und dürfte damit ebenso als Lüge oder inhaltliche Verdrehung einzuordnen sein wie etwa 10 – 15 andere Behauptungen des Projektentwicklers zum Projekt anlässlich seiner Projektvorstellung im Mai 2007.
Vielen Dank für den Hinweis auf die „Stiftung Lebendige Stadt“. Über die lohnt es sich zu recherchieren. Da tun sich Abgründe auf. Nach meinem Eindruck geht es dabei um nicht mehr und nicht weniger als den Komplett-Ausverkauf des öffentlichen Raums. Auch ein Blick auf die Mitglieder des Stiftungsrats ist interessant.
Wo ist übrigens der Kommentar des Herrn Axel Seltz, der hier kurzzeitig zu lesen war? Durch seinen entrüsteten Kommentar bin ich auf den Link zu Strieders Toilettenhäuschen überhaupt erst aufmerksam geworden.
Der Kommentar von Axel bezog sich überwiegend auf zwei Punkte in meinem Artikel, die ich nachträglich entfernt habe (ein nicht beweisbares Gerücht und eine Personalie, die nicht im Zusammenhang mit dem Werbedeal steht). Weil Axel sehr starke Worte gebraucht hatte, habe ich ihm seinen Kommentar zur Überarbeitung zurückgeschickt und hier zunächst herausgenommen.
Ein Akt der kollektiven Fremd- und Selbstzensur 😉
Die technische Beschreibung dieser geplanten Großwerbung findet sich unter
http://www.mediaarchitecture.org/mediafacades2008/the-facades/gasometer-screen/
Es ist skandalös, wie dort mit Denkmal Gasometer umgegangen werden soll.
@Zensurbüro: Was nicht passt, wird passend gemacht. Also auch hier…
Die Berliner Morgenpost berichtet eher positiv über das Vorhaben von Müller, nach dessen Aussagen es sich bei den 660 qm Werbefläche um „winzige Leuchtdioden“ handelt. Ein Meister der verbalen Verbrämung unappetitlicher Sachverhalte.
Merkwürdig – in den vergangenen Jahren war von der Denkmalpflege immer zu hören, dass man mit 100 000 € den Gasometer restaurieren, d.h. neu streichen und gegen Rost schützen könne. Nun soll eine Sanierung 3 Mio € kosten? Das läßt vermuten, dass wir hier jahrelang flimmernde Reklame ertragen sollen und Herr Müller ordentlich, wie an anderen „Sanierungsobjekten“ der Stadt verdient.
Unerträglich ist auch, daß Werbung immer häufiger zur „Kunst“ umdeklariert wird. Hier geht es nicht um Kunst, sondern um Kommerz, auch wenn man sich dazu vielleicht den einen oder anderen Möchtegern-Künstler einkauft. Daß die „Senatswirtschaftsverwaltung“ solche Verdummung der Öffentlichkeit, wie in der MoPo berichtet, fördert, ist ein Trauerspiel.
Der Gasometer als riesige Werbefläche – schreckliche Vorstellung. Ich schlage vor, mit solchen Entwicklungen von nun an mehr an die Schöneberger Öffentlichkeit zu gehen. Eine kleine Kundgebung oder etwa ein informativer Kiezspaziergang wären denkbar. Das Ziel muss sein, diese LED-Wand zu verhindern. Ansonsten bleibt nur noch das Mittel der Sabotage