Denkmalpflege und Außenwerbung (bis die Polizei kommt)
Am 07.08.2008 durchsuchte die Polizei das Büro der Stiftung Denkmalschutz Berlin und Diensträume des BA Mitte. Die Ermittlungen richteten sich gegen Unbekannt, jedenfalls nicht gegen die Stiftung selbst. Vorangegangen war nach Darstellung der Stiftung die Strafanzeige einer Privatperson wegen Verdachts der Untreue. Die bei der Strafanzeige verwendeten Informationen sollen wiederum von einer Außenwerbungsfirma stammen, die mit dem Außenwerber Ströer in Berlin konkurriert. Die Firma Ströer wiederum ist der langjährige Geschäftspartner der Stiftung und organisiert die Außenwerbung an den von der Stiftung betreuten Baudenkmälern. Das alles sieht für mich so aus wie ein erbitterter Kampf um Marktanteile von Firmen der Außenwerbung in einer Grauzone privater Werbung im öffentlichen Raum.
Die Stiftung Denkmalschutz Berlin war bis zu seinem Rücktritt das Spielbein von Reinhard Müller (von Beruf Projektentwickler u.a. am Gasometer). Er hatte diese Stiftung 1999 zusammen mit seiner Frau gegründet und verkaufte seitdem ein sehr gewinnbringendes Produkt – Sanierung von Baudenkmälern gegen Verhüllung und Werbung. Das geht so:
- Die Stiftung tritt an die öffentliche Hand heran und bietet an, ein Baudenkmal (zum Beispiel das Brandenburger Tor) zu sanieren.
- Im Gegenzug lässt sich die Stiftung das Recht übertragen, für die gesamte Bauzeit am Denkmal und der Baustelle Werbung (Außenwerbung – Plakate, Blow-Up Poster, Verhüllungen) zu betreiben. Eine Abrechnung über die Einnahmen der Stiftung findet meist nicht statt.
- Die Stiftung verpflichtet sich unter Hinweis auf ihre satzungsgemäßen Ziele und ihre Gemeinnützigkeit, die Erlöse zur Sanierung des Baudenkmals und die Überschüsse für andere Baudenkmäler zu verwenden.
- Dann baut und saniert die Stiftung. Und das nach Eindruck vieler Beobachter möglichst lange. Damit die Werbung möglichst lange Einnahmen bringt.
Das hört sich nach einem fairen Deal an, verstößt aber bei der Sanierung öffentlichen Bauten gegen sämtliche Vergabevorschriften und die Landeshaushaltsordnung, wie der Landesrechnungshof zuletzt in seinem Jahresbericht 2008 (Randnummer 210 ff.) ausführlich gerügt hat.
Warum?
- Die Bauaufträge der Stiftung werden meist durch einen Generalunternehmer durchgeführt. In dessen Kosten und deren Zusammensetzung hat niemand Einblick. Die Stiftung muss demnach keinen Überschuss erwirtschaften, wenn sie nicht will.
- Die öffentliche Hand ist zum sparsamen Wirtschaften verpflichtet. Wenn sie Bauaufträge in dieser Form vergibt (Baukonzession heißt das im Fachdeutsch), dann muss der Markt geprüft werden. Sonst werden durch die öffentliche Hand letztlich öffentliche Gelder veruntreut. Nämlich durch die öffentliche Hand, welche nicht den günstigsten Anbieter von Außenwerbung auswählt und/oder selbst baut (wie in dem vom Landesrechnungshof kritisierten Fall „Charlottenburger Tor“).
- Die Umgehungsmöglichkeiten sind zahllos. Bei derartigen Deals kann überall Geld versacken, wie ich bereits am Beispiel des aktuellen Vertrags „Außenwerbung Gasometer“ ausführlich dargestellt habe.
Und bei so viel Geld, das nicht oder nur oberflächlich abgerechnet werden muss, kommt es immer wieder zu seltsam anmutenden Geschäften und Konflikten. Die Stiftung will Außenwerbung veranstalten, dafür Geld einnehmen und nicht abrechnen. Die öffentliche Hand wiederum steht immer mit einem Bein im Gefängnis, wenn im Zusammenhang mit der Sanierung von Baudenkmälern finanzielle Vorteile gewährt werden, bei denen die Gegenleistung nicht ausreichend abgesichert oder Konkurrenzangebote für notwendige Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Bauten nicht ausreichend geprüft werden.
So hatte der Rechnungshof kritisiert, dass bei der Vergabe der Sanierungsarbeiten am Charlottenburger Tor eine „Komplettverhüllung“ des Tors mit Außenwerbung (wie später durch die Stiftung Denkmalschutz und Werbepartner Ströer verwirklicht) nicht ausreichend geprüft und den anderen Anbietern als Kalkulationsgrundlagen angeboten wurde. Das wäre aber für die anderen Anbieter der Sanierungsleistungen eine ganz wichtige Information gewesen. Es leuchtet ein, dass ein komplett verhülltes Tor wesentlich mehr Werbeeinnahme bringt und daher auch wesentlich höhere Sanierungskosten einspielt als eine nur teilweise Verhüllung. Und wenn solche Alternativen nicht geprüft und bei der Auftragsvergabe mit ausgeschrieben werden, verschwendet zumindest der Staat Steuergelder. Eine Gratwanderung ist das.
Und was hat das mit dem Gasometer zu tun? Ganz einfach: Die Masche funktioniert natürlich auch privaten Bauprojekten von Reinhard Müller: Erst wird geworben. 5 Jahre lang. Garantiert. Saniert wird auch – vielleicht.
Wir dürfen daran erinnern, dass Reinhard Müller von seinen Aussagen in der Projektvorstellung Gasometer im Mai 2007 bisher noch immer etwa 15 Lügen und gebrochene Versprechen offen hat. Unter anderem die Sanierung des Gasometers. Dazu heißt es im Vertrag vom 07.04.2008 zwischen Müller und Bezirksstadtrat Bernd Krömer (CDU):
Der Eigentümer verpflichtet sich, in enger Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde die in der Anlage 1 festgelegten Instandsetzungsarbeiten am Gasometer in der Torgauer Straße durchzuführen. Mit den Arbeiten soll spätestens neun Monate nach Aufnahme der Nutzung der LED-Anlage für Werbezwecke begonnen werden. Die Instandsetzungsarbeiten sind innerhalb von fünf Jahren nach Beginn abzuschließen.
Das bedeutet: Nicht 5, nein 5 Jahre und 9 Monate kann Müller mit seiner privaten Projektentwicklungsgesellschaft „DenkmalPlus Berlin GmbH…“ Werbung machen. Und sanieren muss er noch lange nicht. Erst kommt mal ein Gerüst. Und dann lange nichts. Wie am Brandenburger Tor – vielleicht.
Ob hier eines Tages gegen das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg wegen Untreue im Amt ermittelt werden muss, wird die nähere Zukunft zeigen. Problem ist nämlich auch hier:
Die Erteilung einer denkmalrechtlichen Genehmigung für die Außenwerbung am Gasometer setzt ein „öffentliches Interesse“ voraus; dieses sieht der Baustadtrat von Tempelschöneberg darin, dass der Gasometer saniert wird. Allein mit diesem öffentlichen Interesse begründet das Bezirksamt, dass eine bereits unter dem 09.10.2007 erteilte Baugenehmigung für die Außenwerbung am Gasometer (auf drei Jahre befristet mit strengen Auflagen) mit Vertrag vom 07.04.2008 zu Gunsten des Projektentwicklers erweitert, aufgeweicht und letztlich uneingeschränkt für fast 6 Jahre erteilt wurde. Meine Bekannten aus der Baubranche sagen übrigens übereinstimmend, dass maximal 1 Jahr für die notwendigen Sanierungsarbeiten zu veranschlagen wäre.
Mit der Gestattung einer solchen Außenwerbung (die unzweifelhaft verunstaltend ist) ohne Gegenleistung gewährt das Bezirksamt einem Privaten geldwerte Vorteile, und zwar im Umfang von etwa 3.5 Millionen EUR. Das sind die geschätzten Werbeeinnahmen über einen Zeitraum von 5 Jahren und 9 Monaten. Und wenn dafür beim Bezirks nichts ankommt, der Gasometer nicht oder nicht vollständig saniert wird? Dann kommt vielleicht in einigen Jahren die Polizei in’s Bezirksamt Tempelschöneberg und ermittelt dort wegen Untreue.
Kluge Politiker setzen sich bereits jetzt von derartigen Machenschaften ab. So erklärt sich eventuell auch die weinerliche Stellungnahme der Stiftung zum missglückten Projekt Stadtbad Oderberger Straße.
Dort hatte die Stiftung wollen (bauen und werben nämlich, in diesem Fall mit Staatsknete) aber nicht dürfen. Die erhofften Subventionen kamen nicht. Und zwar (so ist auf der Seite der Stiftung zu lesen), weil wieder nur ein Pauschalpreisvertrag vorgelegt wurde, um die Sanierungskosten zu belegen.
Zum Dank dafür pflastert die Stiftung mit Hilfe der Außenwerbungsfirma Ströer zur Zeit die ganze Stadt mit sinnfreien Plakaten – „Oderberger Straße – war schön, wird schön“ ist der optimistische Slogan. Warten wir ab, wie lange dieses seltsame System der intransparenten unEigennützigkeit in Berlin noch funktioniert.
Nachtrag: Die Stiftung Denkmalschutz sieht sich zu Unrecht verdächtigt und kritisiert auch den Umgang der Medien mit ihren Geschäftspraktiken. Laut einer Pressemitteilung vom Freitag wurden daher in mehreren Fällen einstweilige Verfügungen erwirkt, um derartige Berichterstattung zu unterbinden.
Berliner Zeitung vom 19.08.08:
„Stiftung Denkmalschutz vor dem Aus?“
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0819/berlin/0026/index.html
Und das schreibt die taz (tageszeitung) vom 19.08.08:
— Denkmalschützer bauen Klagemauer – Die Stiftung Denkmalschutz Berlin sieht sich als Opfer von Verleumdungen. Die Bücher seien sauber, stellt sie klar – und droht mit Anzeigen —
http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/?dig=2008%2F08%2F19%2Fa0173&cHash=7f531c1bd4