CDU macht Denkmalfolklore
In der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg vom 09.05.2012 verwirrte die Fraktion der CDU das Bezirksamt und Fachleute gleichermaßen: Sie forderte vehement das Bezirksamt auf, vierteljährlich ein Schöneberger Denkmal im Internet vorzustellen, wie dies etwa das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf mit seinem Denkmal des Monats vorgemacht habe. Diese Arbeit -so der Fraktionsvorsitzende Olschewski der CDU- solle wie im südlichen Nachbarbezirk die untere Denkmalbehörde (UD) des Bezirksamts leisten. Er selbst könne so etwas locker an einem halben Tag machen.
Diese Denkmalfolklore kommt von einer Partei und einem Bezirkspolitiker, die in der Vergangenheit vor allem durch maximal leichtfertigen Umgang mit dem Industriedenkmal Gasometer Schöneberg aufgefallen ist.
Das Ansinnen der CDU ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert:
Fehleinschätzung
Zunächst offenbarte sich der Fraktionsvorsitzende Ralf Olschwski der CDU einmal mehr als Dampfplauderer vor dem Herren. Wer allen Ernstes behauptet, er könne „mal eben so“ eine mehrseitige und fachlich einwandfreie Darstellung eines lokalen Baudenkmals mit Bildmaterial und Quellennachweisen an „einem halben Tag“ erstellen, gibt sich damit als ahnungsloser Plagiator nach Art des Hauses Guttenberg zu erkennen. Dokumentationen zu Baudenkmalen bedürfen sorgfältiger Recherche und Materialsammlung, wovon auch unsere Autorin „EmmaP“ ein Lied zu singen weiß. Ihre Recherchen für die historische Darstellung des Gasometers und seiner Entwicklung nahmen Monate in Anspruch, die Vorbereitungen für unseren Rundgang um das Gaswerk Schöneberg beim Tag des Denkmals 2010 und 2011 erforderten Wochen. Und zwar bei Menschen, die vermutlich im Gegensatz zu Dampfplauderer Olschewski solche Recherchen und Dokumentationen schon häufiger erstellt haben.
Bernd Krömers Denkmalmissachtung
Die CDU und Ihr ehemaliger Stadtrat für Bauen und Denkmalschutz Bernd Krömer
-auf dem Foto bei einem Pressetermin im Mai 2011- hatten bis November 2011 auch bedenkenlos den Ausbau des Schöneberger Gasometers mit einem Bürogebäude sogar gegen die Kritik des Landesdenkmalamtes durchgeboxt und auch sonst bei jeder Gelegenheit dafür gesorgt, dass die vom Eigentümer bereits im Herbst 2007 versprochene Sanierung und Instandsetzung des Führungsgerüstes am Gasometer bis heute nicht abgeschlossen ist.
Frau Krömer fehlt
Besonders pikant ein weiteres Detail dieses Schaufensterantrages: Die jetzt zuständige Bezirksstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) verwies in der Debatte darauf, dass der unteren Denkmalbehörde des Bezirks für deren wichtige Überwachungs- und Vollzugsaufgaben derzeit nur drei Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die permanent überlastet sind. Auch die Ehefrau Dorothea des früheren Baustadtrates Bernd Krömer (CDU) war bis 2011 noch als Mitarbeiterin der UD tätig. Sie war unter anderem daran beteiligt, den Ausbau des Gasometers gegenüber den Bedenken des Landesdenkmalamtes durchzusetzen. Und dies unter merkwürdigen Umständen, die wir an anderer Stelle bereits ausführlich dargestellt haben.1 Seit Herbst 2011 nun ist Frau Krömer krank geschrieben. Da das Bezirksamt in Personalangelegenheiten keine Auskünfte gibt, sind Details nicht bekannt und kann nur vermutet werden, dass ein innerer Zusammenhang zum Ausscheiden von Bernd Krömer aus dem Bezirksamt mit dessen Neubildung am 23.11.2011 besteht. In der BVV-Sitzung an diesem Tag saß Frau Krömer jedenfalls noch munter und scheinbar gesund im Zuhörerraum und unterhielt sich angeregt mit Ihrem Ehemann.
Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob Frau Krömer mit einem neuen und sehr besonderen Aufgabenbereich über die Partei ihres Ehemannes die eigene Rückkehr an ihren Arbeitsplatz vorbereiten wollte. Dies ist wohl eher unwahrscheinlich. Denn angesichts der Personalknappheit in der UD des Bezirks kann wohl selbst die Gattin des ehemaligen Amtsleiters nicht damit rechnen, nur mit besonderen Aufgaben betraut zu werden.
Ergebnis
Nachdem die CDU sich mit wiederholenden Argumenten in der Diskussion immer wieder uneinsichtig zeigte wurde zuletzt abgestimmt. Gegen die Stimmen von CDU und Piraten wurde der Schaufensterantrag abgelehnt. Ein Sieg der Vernunft.
Denn gerade das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ist in der Vergangenheit mit fundierten und lesenswerten Büchern zu denkmalgeschichtlichen Themen, der so genannten „blauen Reihe“, positiv hervorgetreten. Was etwa Stefan Lepiorz unter Mitarbeit einer heute noch in der UD tätigen Mitarbeiterin des BA über die Geschichte des Gasometers und des Gaswerks zusammen getragen hat, genügt hohen Ansprüchen und ist immer wieder lesenswert. Kein Bedarf für folkloristischen Pfusch also.2
Im Artikel Lokalpolitiker unter dem Stichwort Bernd Krömer ↩
Im Übrigen meine ich, dass die Bezirksbürgermeisterei einschließlich des dazu gehörigen Pseudoparlaments -wie man auch hier wieder sieht- überflüssig ist und abgeschafft gehört. ↩
Die Berliner Woche und das Bezirksamt stellen künftig ein „Denkmal des Monats“ vor. In Tempelhof-Schöneberg gibt es 767 eingetragene Baudenkmäler – und jedes erzählt seine eigene besondere Geschichte. Die Berliner Woche wird sich künftig gemeinsam mit der Unteren Denkmalschutzbehörde auf Schatzsuche begeben und regelmäßig ein „Denkmal des Monats“ vorstellen.