Kommentar: Jörn Oltmann – der grüne Skandal
Wer oder was reitet den für die wilden Ausbaupläne der Euref im Gasometer Schöneberg fachlich zuständigen Bezirksstadtrat Jörn Oltmann (Grüne)? Was bringt einen erfahrenen Kommunalpolitiker dazu, solche mit Verlaub hirnverbrannten Statements wie in der oben stehenden Fotomontage über die Presse zu lancieren? Woher diese abgrundtiefe Begeisterung eines grünen Politikers für das Bauvorhaben eines permanent wortbrüchigen Investors, der ein weithin sichtbares Wahrzeichen von Schöneberg bis ganz oben mit einem Bürogebäude ausbauen, möglicherweise sogar durch ein Bürohochhaus ersetzen und abreißen will? Woher der Sinneswandel? Oltmann war (damals in der Opposition) vor 10 Jahren noch vehementer Kritiker der Ausbaupläne und ließ dafür sogar eine Werbebroschüre für die Grünen drucken und verteilen.
Das werde ich oft gefragt, wenn Oltmann in Videokonferenzen und öffentlichen Äußerungen alternative Fakten verbreitet zur Torgauer Straße, sich in der Öffentlichkeit in Lobpreisungen ergeht für eine von den Anwohnern (und von mir) als grauenhaft empfundene Verschandelung des Gasometers wie in der Fotomontage – Oltmann hat dies wirklich gegenüber der Presse so gesagt. Was bringt einen grünen Stadtrat dazu, einen lange geplanten persönlichen Dialog mit der Bürgerinitiative „Gasometer Retten“ nachträglich in eine Art Werbeveranstaltung per Videokonferenz umzugestalten?
Das Verhalten Oltmanns erklärt sich in meinen Augen aus maßlosem Ehrgeiz – da hat ein seit mehr als 10 Jahren in der zweiten Reihe der bezirklichen Kommunalpolitik tätiger Mann im Zuge der letzten Wahlerfolge der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ sozusagen Höhenluft geschnuppert. Oltmann hat nach seiner Wahl zum Bezirksstadtrat für die Grünen 2016 seine bis dahin noch bestehende GmbH mit der er als Verwalter und Projektentwickler tätig war, abgewickelt. Es darf vermutet werden, dass er schon seit Jahren darauf hofft, Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg zu werden. Dies kann (so vermutlich sein Kalkül) nur gelingen, wenn er mit den beiden alten „Volkparteien“ CDU und SPD gemeinsame Sache macht. Und wo könnte man dies besser und profitabler als für den in der Berliner Politik bestens vernetzten Reinhard Müller und seine EUREF, als eben am Gasometer Schöneberg?
Kleine Details und Indizien sprechen dafür, dass Oltmann sich mit einer Art „großen Koalition“ zu Gunsten der EUREF am Gasometer als „Liebhaber des Bürohochhauses“ profilieren will, um nach der nächsten Wahl im Herbst 2021 Bezirksbürgermeister zu werden. Dafür spricht, dass die Tempelhof-Schöneberger SPD nicht nur – dem Trend der Bundespartei folgend – unter verheerend nachlassender Wählergunst leiden dürfte und schon von daher voraussichtlich in einem Jahr nicht den oder die BürgermeisterkandidatIn stellen wird. Auch ist die jetzige Amtsinhaberin Angelika Schöttler (SPD) nicht gerade für richtungsweisende Bezirkspolitik, parteiübergreifendes Charisma oder große Integrationsfähigkeit bekannt. Auch mit der Tempelhof-Schöneberger CDU ist 2021 nicht ernsthaft zu rechnen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass durch den demographischen Wandel (die Innenstadt und selbst schon die Vororte wie Lichtenrade des Bezirks werden zunehmend durch jüngere WählerInnen besiedelt, die traditionell eher nicht CDU wählen) die CDU ebenfalls nicht den Bezirksbürgermeister stellen wird.
Auch das innerparteiliche Verhalten Oltmanns spricht für seine im Ergebnis am Gasometer Schöneberg frevelhaften Ambitionen. So sind die Grünen in Tempelhof-Schöneberg bereits 2016 mit einer weiblichen Spitzenkandidatin angetreten, die nach der Wahl den für die Grünen vakanten Stadträtinnen-Posten nicht besetzen wollte oder konnte. Auch 2021 zeichnet sich ab, dass die Grünen ohne eine „echte“ weibliche Spitzenkandidatin antreten werden. Jedenfalls verfolgte Oltmann bis zur offiziellen, coronabedingten Absage der dafür zuständigen Mitgliederversammlung der Grünen Anfang November das erklärte Ziel, sich frühzeitig als Spitzenkandidat der Grünen Tempelhof-Schöneberg ausrufen zu lassen. Erstaunlich bei einer Partei, der die Quote über alles geht.
Ich rechne damit und hoffe, dass dieses unerfreuliche Kalkül Oltmanns im Herbst 2021 selbst im traditionell eher „grün angehauchten“ Schöneberger Norden nicht aufgehen wird. Denn WählerInnen vergessen nicht so schnell und selbst politisch unbedarfte Anwohner am Gasometer Schöneberg können und werden auf die Idee kommen, auf Bezirksebene anders zu wählen als für Abgeordnetenhaus und Bundestag. Es sei denn, Oltmann und seine Grünen bekommen noch die Kurve. Hoffen wir es.