Gute Autos – böse Autos
E-Mobilität als Aufhänger
Am Schöneberger Gasometer soll jetzt geforscht werden. E-Mobilität heißt das Thema. Partys im Gasometer-Zelt und erste Abrissarbeiten am „Messelbau“ markieren sichtbar und hörbar den Start. Auch bei der Eröffnung des Parks auf dem Flughafen Tempelhof wimmelte es von Elektrofahrzeugen, wie dem grünen Modell auf unserem Bild.
Was da auf dem vormaligen Gaswerksgelände geforscht werden soll, bleibt aber wolkig:
„Formen des Flottenbetriebs, der Ladeinfrastrukturen und IT-Schnittstellen sollen hinsichtlich Nutzerverhalten und Anwenderfreundlichkeit getestet werden. Daraus sollen Erkenntnisse abgeleitet und in marktfähige Mobilitätsangebote überführt werden.“ (Quelle)
Uns von der BI interessiert an dem Modethema Elektromobilität vor allem eins:
- Welche Rolle spielen das Gasometergelände und die umliegenden Wohngebiete im Projekt?
- Begründet ein zeitlich begrenztes, öffentlich gefördertes Forschungsprojekt ein Kerngebiet?
Beide Fragen sind kurz zu beantworten:
- keine, ein Zusammenhang ist nicht zu erkennen
- nein, ein Zusammenhang ist nicht zu erkennen
Wichtig wie Griechenland
Zum Glück sind Elektroautos derzeit politisch so wichtig wie Griechenland und bei Politikern beliebt. Elektromobilität wird mit Klimaschutz gleichgesetzt. Daher kann man sich in der Presse gut über Sinn und Unsinn der politischen Begeisterung informieren.Das Fazit:
Elektroautos bleiben für die nächsten 20 Jahre zu teuer. Die Produktionskosten liegen 10.000 bis 15.000 € über den vergleichbaren Autos mit Verbrennungsmotoren. Dazu kommen viele ungelöste technische Probleme: Reichweite, Antrieb, Unfallsicherheit, Gewicht und Batterien – alle Bereiche sind mit Fragezeichen zu versehen.
Uns interessiert vor allem ein Punkt: Welche Voraussetzungen muss eine Gemeinde, d.h. wir mit unseren Steuergeldern schaffen, damit die schöne neue Welt der Elektromobilität funktioniert? Und wird man aus Schaden klug? Schließlich gab es ja schon einige gescheiterte teure Projekte des Bundes – die Magnetschwebebahn, den Transrapid-, die an fehlender Infrastruktur und an fehlendem Markt gescheitert sind.
Die BI-Gasometer fragt die Schöneberger Politiker, die das subventionierte Projekt als Fortschritt für ihr Kerngebiet am Gasometer loben: Wie lange wird es ernsthafte Forschung dort geben und ist dazu ein Kerngebiet am Gasometer notwendig? Reicht am Ende gar ein Parkplatz mit Ladestation?
Nun trauen wir dem Partymacher Müller durchaus zu, eine Elektroauto-Teststrecke auf dem alten GASAG-Gelände als Show zu inszenieren. Aber wegweisende und nachhaltige Forschung zu den Kosten und Nutzen in Hinblick auf Klimaschutz und Mobilität?
Professor Knie, der bei InnoZ, Partner der EUREF, das Projekt leitet, hat in der Berliner Zeitung am 16.4. 2010 verkündet, dass er
„Elektroautos als Angebot der Gemeinden betrachtet“.
Verdeckte Subventionen für die Autoindustrie
Elektromobilität ist ein altbewährtes Konzept im Öffentlichen Nahverkehr, dort heißt es „O-Bus“und „die Elektrische“ (Straßenbahn). Es funktioniert über Oberleitungen und mobile Stromabnehmer. Die staatlichen Subventionen fließen aber nicht in die Förderung und Verbesserung des ÖPNV, sie fließt auch nicht in neue Busse und Straßenbahnen. Sie hat kein Konzept für die Gemeinden, das Stadtentwicklung und Mobilität gemeinsam entwickelt. Elektromobilität ist dagegen bislang lediglich eine verdeckte Subvention für die deutsche Automobilbranche.
Kosten-Nutzen Analyse
Allen an der E-Auto-Diskussion beteiligten Akteuren ist bekannt, dass kaum jemand ein Elektroauto kaufen wird. Die Experten sind sich einig, dass sie aufgrund der Kosten auf lange Zeit keine Konkurrenz zu herkömmlichen Autos sein können.
Das fängt bei der Infrastruktur an: Ungefähr 80 % der Bevölkerung in Großstädten wohnt in Mehrfamilienhäusern und verfügt über keine Garage. Es werden also separate Ladestationen notwendig, die pro Fahrzeug kommunale Investitionskosten von 4.000 bis 6.000 € voraussetzen würden.
In der Praxis
Europäer fahren vor allem in der Stadt zur Arbeit und auf Strecken unter 5 km. Mütter in den Vorstädten fahren mehr, weil sie den ÖPNV ersetzen müssen. Die meisten Wege vom Arbeitsplatz, zum Einkaufen und zum Sport sind so kurz, dass die in der Batterie gespeicherte Energiemenge für den elektrischen Betrieb eines Kleinwagens ausreichen würde. Das gilt aber vor allem für Alleinfahrer und nicht für Familien. Sie transportieren Kinder und Gepäck und brauchen mehr Platz im Auto. Dafür benötigen sie ein herkömmliches Fahrzeug – eventuell mit Hybridantrieb. Das Elektroauto eignet sich von seiner Leistung her hingegen lediglich als ein Zusatzfahrzeug.
Null-Emissions-Auto?
Ehrlicher wäre es, Elektroautos als „Anderswo-Emissions-Fahrzeuge“ zu bezeichnen. Beim Lob des E-Autos wird verdrängt, dass die klassischen Schadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und Stickstoffoxide bei modernen Benzinfahrzeugen, welche die Schadstoffnormen Euro 4 einhalten, so niedrig sind, dass sie kaum noch gemessen werden können. Im Vergleich mit Bus und Bahn schneidet das E-Autos sehr schlecht ab. Sie verbrauchen deutlich weniger Energie pro Kopf als jeder PKW.
Festzuhalten bleibt: Der batterieelektrische Antrieb von Kraftfahrzeugen ist einer der teuersten Wege, um CO2-Emissionen zu senken.
Alternativen
Die USA und China gehen daher einen anderen Weg als unsere Regierung. Sie fördern mit Milliardensummen den Ausbau bzw. die Wiederherstellung des Schienennetzes und des ÖPNV. Sie wollen weg vom PKW und hin zu lebenswerten Städten.
Es ist schön, dass auf dem Gasometergelände ein Gebäude saniert wird. Aber dafür braucht niemand ein Kerngebiet.
Es ist auch schön, wenn der Bund Steuergelder für die technische Forschung ausgibt, aber auch hier wären mehr Basisdemokratie und Nachhaltigkeit statt Lobbyisten- und industriegelenkter Subventionen für uns Steuerzahler effizienter.
Am schönsten wäre es, wenn der Bezirk endlich eine schlüssige Planung für das ganze Gebiet bis zum Südkreuz wagen würde, statt immer nur an neue virtuelle Welten zu glauben.
Noch jemand will dort forschen: Die GASAG will eine Geothermie-Tiefenbohrung am Gasometer niederbringen. Siehe taz-Artikel vom 7.5.2010
Hatte die GASAG nicht das Gelände verkauft?? Was sagt uns das bezüglich der anderen Planungen??
Die sogenannte „E-Mobilität“ wird in Deutschland dringend benötigt. Sie muß die in weiten Kreisen fehlende geistige Mobilität ersetzen, auch „Fähigkeit zum Umdenken“ genannt. (Eine Fähigkeit, die im übrigen natürlich gar nicht erwünscht ist, denn aus Verzicht zugunsten von mehr echter Lebensqualität kann man bekanntlich kein Geld schlagen.)
Zu Kall3: Ich denke, das sagt uns, daß die Energie- und Umwelt-Farce auf dem Gasometer-Gelände in Zukunft auf mehreren Bühnen weitergespielt werden soll.
Kurzschluss beim Elektroauto
Wer sich für das Thema interessiert und wissen will, wo in Zeiten knapper Kassen eine halbe Milliarde Euro hinfließen, sollte den Beitrag im Fernsehmagazin Monitor zum Thema ansehen (20.5.2010): http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2010/0520/elektro.php5