40 Prozent Blödsinn und schlecht erschlossen
Momentan entwickelt sich das Euref-Gelände am Gasometer zu einer schlecht erschlossenen Sackgasse. Durch die großen Baustellen für die Umgestaltung der Grünstreifen entlang der Bahn ist die ohnehin wenig verkehrsgünstige, schmale und steile Torgauer Straße unzugänglicher als je zuvor. Und ob es die für eine noch dichtere Bebauung und das Inkrafttreten des Bebauungsplan 7-29 notwendige Erschließungsstraße je geben wird, ist weiterhin fraglich. Denn hinter den Kulissen wird um die Kosten gefeilscht. Und wie aus Kreisen der Bezirksverordneten zu hören ist, glauben dort viele den 40 Prozent Blödsinn.
Zur Erinnerung noch einmal kurz der Vorlauf: In einer handstreichartigen Aktion, wie sie sonst wohl nur in Bananenrepubliken üblich sein dürfte, hatten der nach den Berliner Neuwahlen kurz vor seiner Abberufung stehende ehemalige Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) und „Euref-Müller“ Reinhard Müller für die Denkmal Plus Beteiligungsgesellschaft mbH am 21.11.2011, also zwei Tage vor Neubildung des Bezirksamts, einen 1. Nachtrag zum städtebaulichen Vertrag betreffend die Planstraße zur Erschließung des Euref-Geländes am Gasometer geschlossen. Danach ist nun (warum auch immer) das Bezirksamt Tempelhof verpflichtet, die Errichtung der Erschließungsstraße als Bauherr zu betreuen und als solcher einen Förderantrag bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft zu stellen. Und auf unerklärliche Weise explodierten scheinbar die geplanten Kosten für diese Straße. Zunächst sollten es ungefähr 5 Millionen Euro sein, danach 9,3 Millionen Euro und später dann ca. 14 Millionen Euro. Überprüfen kann beim Tempelhof-Schöneberger Bezirksamt diese von „Euref-Müller“ oder seinen Geschäftspartnern in die Welt gesetzten Kostenschätzungen ohnehin niemand. Und üblich ist es in unserem Bezirk auch, in derartigen Fällen (wie an der Nordspitze) zu vereinbaren, dass das Land Berlin zwar an „Euref-Müller“ zahlt, aber eine Abrechnung nicht stattfindet.
Nun läuft seit Juni dieses Jahres ein Antrag des Bezirksamts auf Bewilligung von GRW-Mitteln zur Finanzierung dieser Erschließungsstraße für das ehemalige Gaswerkgelände an der Torgauer Straße. Die auf Wunsch des Projektentwicklers zu fördernde Investition wurde mit ca. 14,1 Mio. € angegeben.Bei einer Förderquote von 60% würden sich daraus Subventionen i.H.v. knapp 8,5 Mio. € ergeben. Die restlichen 5,6 Mio. müssten vom Projektentwickler aufgebracht werden. Der aber verbreitet gern, er würde ohnehin nicht mehr zahlen als 4 Millionen Euro – so Müller jedenfalls in einer Sitzung des Stadtplanungsausschusses.
Mehrere Bezirksverordnete sagen mir nun neuerdings, das sei ja wohl so: Müller müsse nur 40 % der Planstraße zahlen. Und Müller selbst (der bisher ohnehin nicht dadurch aufgefallen ist, gern Geld für Infrastruktur oder nicht unmittelbar verkäufliche Dinge auszugeben) sagt ganz schlicht, bei 4 Millionen Euro sei in Sachen Planstraße für ihn Schluss.1
Das eine ist der 40 Prozent Blödsinn. Der städtebauliche Vertrag zwischen Bezirksamt und „Euref-Müller“ regelt eindeutig, dass jener die Straße zu bauen und zu bezahlen hat. Und zwar vollständig. Sonst gibt es kein Kerngebiet am Gasometer, weil der Bebauungsplan 7-29 ohne ausreichende Erschließung nicht verabschiedet werden darf. Der von Bernd Krömer verschenkte 1. Nachtrag zu diesem ursprünglichen und weiterhin bindenden Vertrag regelt nur, dass Müller die vom Bezirk beantragten GRW-Mittel (in welcher Höhe auch immer) verbauen darf. Den Rest der Straße muss Müller selbst bezahlen – ohne Wenn und Aber. Und wenn die GRW-Mittel nicht bewilligt werden, wird der 1. Nachtrag automatisch hinfällig, so steht es in I. der Präambel.
„Der Vertrag wird aufschiebend bedingt durch den nachfolgenden mit Eingang der GRW-Fördermittelzusage beim Bezirksamt wirksamen 1. Nachtrag wie folgt geändert“2
Der vorteilhafte Nachtrag ist also aufschiebend bedingt – meiner juristischen Bewertung nach ist er noch überhaupt nicht wirksam. Die Fördermittelzusage liegt ja noch nicht vor. Wie das Bezirksamt da als Bauherr einen Förderantrag stellen kann, das verstehen auch nur die Götter.
Und was „Euref-Müller“ mit seinen maximal 4 Millionen Euro Eigenbeteiligung in die Welt posaunt, ist ohnehin mehr taktisches Kalkül oder Wunschdenken. So nach dem Motto „wenn ich das lange genug erzähle, glauben es alle“. Ja und? Das zeigt schon ein Blick vom Sachsendamm in die Torgauer Straße.
Müllers Firma ist verpflichtet, die Erschließungsstraße zu bauen. Mit oder ohne Förderung. Und wenn nicht? Dann hat das im nördlichen Teil bereits jetzt erschreckend dicht bebaute Gelände am Gasometer keine weitere Erschließung als die schmale und steile Torgauer Straße. Und sein Kerngebiet kann sich „Euref-Müller“ dann abschminken. Der Bebauungsplan 7-29 darf nicht beschlossen werden, weil es keine ausreichende Erschließung dafür gibt. Also wird Müller seine Straße wohl bauen müssen oder zukünftig kleinere Brötchen backen am Gasometer. Und den „40 Prozent Blödsinn“ vergessen wir gleich mal wieder.
Unabhängig davon, wie man ansonsten zum Projekt steht, ist doch die Frage nach Sinn oder Unsinn der GRW zu stellen. Verkauft als Maßnahme zur Entlastung des ach so bedürftigen Projektentwicklers, der sich aufgrund der veränderten Planung der DB auf dem S-Bahnring nicht in der Lage sieht, bei einer geplanten Gesamtinvestition von ca. 500 Mio. €, zum ursprünglichen städtebaulichen Vertrag zu stehen und die mittlerweile auf geschätzte 14,1 Mio € gestiegenen Baukosten selbst zu tragen.
Bei genauerem Hinsehen bleibt festzuhalten, was als Rechtfertigung zur Notwendigkeit der Vertragsänderung und damit zur Beantragung von GRW-Mitteln diente – eine Entlastung des Projektentwicklers von Mehrkosten aufgrund der geänderten Planung der Bahn, entpuppt sich mutmaßlich als millionenschwere Ersparnis gegenüber den ursprünglich vom Vorhabenträger eingeplanten Kosten, sollten die beantragten Fördermittel bewilligt werden.