Rostschutz und Denkmalschutz
“Wir haben mit der Sanierung des Gasometers begonnen, das wird leider drei Jahre dauern, weil wir eine besondere Lasertechnologie hier verwenden, die besonders energieschonend ist.” (Reinhard Müller gegenüber der Abendschau des RBB, Sendung 3.10.11)
In unserem Bezirk stehen zwei denkmalgeschützte Gasbehälter oder das, was von den umgangssprachlich „Gasometern“ genannten technischen Anlagen übrig ist: ihre Führungsgerüste aus Eisen. Einer steht in Schöneberg und ist mit fast 80 m Höhe im Stadtbild gut sichtbar. Der Andere steht in Mariendorf, wo er sich mit seinen ca. 40 m auf einem großen Gelände an der Bahn fast versteckt. Dennoch lohnt derzeit der Blick nach Mariendorf ,1 denn dort wird das Denkmal von seinem Eigentümer, der GASAG, komplett saniert.
Eine Sanierung, d.h. die Entrostung und das Auftragen eines vernünftigen Korrosionsschutzes, dauert ihre Zeit. In Mariendorf begann man 2012 und rechnet mit einer Fertigstellung im Jahr 2014. Die Arbeit erfolgt auf zwei „mobilen“ Gerüsten, die im Uhrzeigersinn weiterbewegt werden, sobald ein vertikaler Abschnitt fertig ist. Mit Pressluftnadlern werden in bewährter Methode die alten Farbschichten bzw. der Rost entfernt. Anschließend kommen der Rostschutz und die Farbanstriche.
Wie die Sanierung eines rostbefallenen Führungsgerüsts funktioniert, dürfte dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg daher schon länger bekannt sein. Dennoch hat es bis zum Ende des letzten Jahres gedauert, bis sich die zuständige Stadträtin Klotz in der Lage sah zuzugeben, dass bei der Schöneberger Sanierung gar nichts läuft und das vertraglich vereinbarte Ziel einer Generalüberholung bis Februar 2014 nicht zu halten ist. Dies wurde bei einer Bürgerfrage der BI Gasometer in der BVV im Januar 2013 öffentlich. Stadträtin Klotz führte aus, der Eigentümer hätte im Oktober 2012 dem Bezirksamt eingestanden, dass der Termin nicht eingehalten wird.
Anlass genug, sich in Erinnerung zu rufen, wie es zu einer vertraglichen Vereinbarung über die Sanierung des Gasometers zwischen dem Eigentümer Reinhard Müller (DenkmalPlus) und dem Bezirksamt kam. Die Sanierung des von starkem Rost befallenen Führungsgerüstes gehörte zu den zentralen Versprechungen von Müller, als er 2007 vom Bezirk einen attraktiven Bebauungsplan für das Gasometer-Gelände haben wollte. Dafür durfte er 2008 eine Werbeanlage in Betrieb nehmen. Wir haben das auf dieser Seite ausführlich dargestellt. Genauso wie wir das Spektakel eines offiziellen Sanierungsbeginns, das der Presse am 5. Mai 2011 vorgeführt wurde, für eine medienwirksame Inszenierung gehalten haben. Unter anderem deswegen, weil bezirksintern der Februar 2009 als vertragskonformer Beginn der Sanierung ausgegeben wurde. Bei Bezirk und Eigentümer galt es in der alten Wahlperiode vorrangig, den Anschein eines ernsthaften Sanierungsbemühens aufrecht zu erhalten bis die letzten BVV-Beschlüsse zu Müllers Gunsten gefallen waren.
Was hat sich am Gasometer seither getan? Das Gerüst am sogenannten Musterabschnitt der Sanierung wurde im Sommer 2011 abgebaut, geblieben sind von dieser Presseinszenierung kleinere Abschnitte mit verschiedenfarbigen Schutzanstrichen. Es wurden größere Veränderungen sichtbar, als der Einbau eines Fernsehstudios bzw. einer Traglufthalle im Gasometer neue Einschnitte im unteren Bereich notwendig machten, und es wurde 2011 in diesem Zusammenhang ein Containerdorf mitten im Denkmalbereich errichtet. Schließlich durfte der Eigentümer 2012 ein überdimensioniertes Logo am denkmalgeschützten Führungsgerüst des Gasometers anbringen. Einmal mehr wurden hier Bedenken im Sinne des Denkmalschutzes zurückgestellt.2 Wobei die Argumentation des Bezirksamtes, dass das Denkmal ja nicht beeinträchtigt werde, weil das Logo nur nachts leuchtet, wenn der Bau nicht sichtbar ist, besondere Kurzsichtigkeit unter Beweis stellt. Das Logo war zuletzt (es ist jetzt nach teilweisen Ausfällen außer Betrieb) 24 Stunden am Tag eingeschaltet und schon beim Einsetzen der Dämmerung bzw. bis in die Morgenstunden hinein leuchtete es, während das Gerüst des Gasometers über viele Stunden täglich gleichzeitig sichtbar war. Und das ist natürlich auch beabsichtigt.
Derweilen das Bezirksamt fleißig Genehmigungen ausstellte, wartete es auf einen konkreten Ablaufplan für die Sanierung. Der lag 2011 gar nicht vor, und man hofft im Amt, vielleicht im Februar 2013 Näheres dazu zu hören. Stadträtin Klotz:
„Das Stadtentwicklungsamt wird den weiteren Fortgang und hier insbesondere die Einhaltung der neuen zeitlichen Zusagen genau beobachten. Wenn weiterhin Zusagen nicht eingehalten werden sollten, werde ich prüfen lassen, ob die Denkmalschutzbehörde eine Anordnung zur Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen gem. § 8 Abs. 2 des Berliner Denkmalschutzgesetzes erlassen kann.“
Maßnahmen dieser Art sollen den Erhalt des Bauwerks sichern, sind aber nicht mit einer Gesamtsanierung zu verwechseln. Gegenüber dem Amt hat der Eigentümer angegeben, er habe das Führungsgerüst des Gasometers im Herbst auf unmittelbar zu sanierende Schadstellen prüfen lassen. Damit zeichnet sich ab, dass bis auf weiteres wohl keine Sanierung zustande kommt.
Wie der Rote Insel Blog richtig angemerkt hat, interessieren sich die Volksvertreter in der BVV für den Gasometer offenbar überhaupt nicht mehr. Wir haben also das Privileg, weiter zusehen zu dürfen, wie der Gasometer rostet und rostet und rostet …
Der Gasometer Mariendorf wurde 1901 errichtet, war aber von Wien nach Berlin versetzt worden. Im Gegensatz zum Gasometer Schöneberg der von einer deutschen Firma erbaut wurde, ist er ein englisches Fabrikat. Beide Anlagen wurden von dem Betreiber ICGA errichtet. ↩
Mündliche Anfrage BV Ickes, 21.6.2012 ↩