Prozesshanselei: Loch oder Spalt?
Es gibt Menschen, die in einem Riss oder Spalt lieber ein Loch sehen. Und dann vor den Kadi ziehen. So geschehen bezüglich unserer Berichterstattung über den Riss am Gasometer im Frühjahr 2010, wo wir über ein offenes Zerwürfnis zwischen Projektentwickler Reinhard Müller und dem Bezirksamt berichtet hatten. Der Artikel war mit einer Fotomontage illustriert, auf der das Rathaus Schöneberg durch einen riesigen Riss/Spalt im Gasometer in dessen Inneres guckt. Mit Dekoration durch Grünpflanzen.
Dies führte zu einem einstweiligen Verfügungs- und anschließenden Gerichtsverfahren, mit dem Müller dem Verfasser des Berichts untersagen will, den Eindruck zu erwecken, auf dem Bild würden die im Bericht genannten Löcher gezeigt. So absurd, wie einem dieses Ansinnen erscheinen mag, ist das nicht – über derartige Fragen wird im Presserecht gern und ausdauernd gestritten.
Zwar gab die für diesen Fall erwählte Pressekammer des Landgerichts Hamburg zunächst im einstweiligen Verfahren dem Ansinnen statt, so dass wir das beanstandete Foto seither mit ebenso hässlichen wie nach unserer Meinung auch überflüssigen Hinweisen und Erläuterungen versehen. Jedoch befand dieselbe Kammer bald darauf mit einem sehr ausführlich begründeten Urteil, eine derartig bemühte Doppeldeutigkeit würde im Ergebnis die Meinungsfreiheit des Urhebers der Veröffentlichung über Gebühr einschränken. Und wies die Klage Müllers ab. Wogegen dieser ein Berufungsverfahren anstrengte.
Nach wie vor und wohl nicht nur mir seltsam erscheint die Deutung des Begriffs „Loch“ durch die Anwälte Müllers. Es bedarf meiner Meinung nach schon erheblicher Verrenkungen und sogar Unkenntnis der deutschen Sprache, um in dem Spalt/Riss ein Loch zu sehen. Die in den Gasometer gesägten Löcher, von denen im Bericht und dem Zerwürfnis die Rede ist, sehen nämlich aus wie Löcher:
Rote Tür, Tigergeländer, verschlossenes LochVon allen Seiten umschlossen. Und in diesem Fall sogar einmal rot!
Noch besser sieht man die Einschnitte und „Löcher“ auf dieser Detailaufnahme:
Es scheint mir, als wolle Projektentwickler Reinhard Müller fehlenden Schwung mit seinen hoch fliegenden Plänen am Gasometer durch Prozesshanselei ersetzen. In mehreren Fällen ging er gerichtlich gegen diese Webseite vor, um missliebige Berichterstattung zu unterbinden. Dabei war der Ausgang dieser Verfahren bisher durchaus gemischt und verursachte im Wesentlichen beiden Parteien Arbeit und Kosten. Von teilweisen Abweisungen der Anträge Müllers über außergerichtliche Einigung, Obsiegen und Unterliegen – alles dabei.
Ob solche Prozesshanselei nützlich ist und für wen, mag jeder selbst entscheiden. Wir jedenfalls werden uns jedenfalls weiterhin gegen solche Zensurversuche zur Wehr setzen.
Die Klage von Reinhard Müller gegen die Berichterstattung mit der Fotomontage ist mittlerweile rechtskräftig abgewiesen. Die Berufung gegen das obsiegende Urteil des LG Hamburg wurde zurückgenommen und Reinhard Müller hat auf seine Rechte aus der vorangegangenen einstweiligen Verfügung zur Vermeidung eines weiteren Verfahrens verzichtet.
Einen kleinen Bericht über das Verfahren findet man auf der Seite Buskeismus.